Verfassungsschutz baut Überwachung aus

15. April 2015

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) baut seine Kapazitäten und Fähigkeiten zur Überwachung des Internets aus. Wie aus als "VS-Vertraulich" eingestuften Dokumenten hervorgeht, die netzpolitik.org veröffentlicht hat, richtet die Behörde dafür derzeit eine neue Referatsgruppe mit 75 Mitarbeitern ein. Die sollen zum Beispiel Facebook-Chats von Verdächtigen überwachen, Bewegungsprofile und Beziehungsnetzwerke anhand von Metadaten erstellen sowie "konspirative informationstechnische Überwachungsmaßnahmen von Online-Diensten" durchführen.
Nach netzpolitik.org dient die neue Einheit der Entwicklung eines Systems der automatisierten Massendatenauswertung, obgleich das BfV nur Einzelpersonen überwachen darf. Die Auswertung soll unter den Voraussetzungen der Verschlusssachenanweisung auswerten, um "bislang unbekannte und nicht offen erkennbare Zusammenhänge zwischen einschlägigen Personen und Gruppierungen im Internet festzustellen". Dabei scheint es um die TKÜ-Anlage Perseus zu gehen, die mit 3,5 Millionen im laufenden Haushaltsjahr "regelmäßig modernisiert wird, mit der Telefonie und Internetkommunikation (Email, Chatprotokolle, Websessions und Dateitransfere) ausgewertet werden.
Hans-Christian Ströbele von den Grünen, Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss, kritisiert die "anlasslose und massenhafte Datenauswertung", die das BfV "insgeheim" begonnen habe und die mit jener der NSA vergleichbar sei, scharf. Er bezweifelt, dass die vorgesehene parlamentarische Kontrolle noch greifen könne: "Derart weitreichende nachträgliche Auswertungen überwachter Telekommunikation, wie sie das BfV offenbar praktiziert, können schwerlich durch vorherige Genehmigungen der G10-Kommission gedeckt sein."

Kunstaktion in Brooklyn NYC

6. April 2015

Unbekannte Künstler haben eine Büste des NSA-Whistleblowers Edward Snowden im Fort Green Park in Brooklyn, New York City, aufgestellt. 1,20 Meter hoch, 45 Kilogramm schwer. Sie stellten die Büste auf ein Mahnmal, das an den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg erinnert. Auf die Säule schrieben sie Snowdens Namen.
"Das Monument ist ein Denkmal für amerikanische Kriegsgefangene, die während des Unabhängigkeitskriegs ums Leben kamen. Wir haben dem Mahnmal ein Update verpasst um jene zu würdigen, die ihre Sicherheit dem Kampf gegen moderne Tyrannen geopfert haben", schreibt das Künstlerkollektiv in seiner Begründung für die Aktion.
Schon wenige Stunden nach der Installation war dann die Parkaufsicht zur Stelle, verhüllte das Denkmal und begann mit der Demontage bis der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt war.
Am folgenden Abend trat eine weitere Künstlergruppe „The Illuminator“ auf den Plan und „ersetzte“ die nun entfernte Büste durch eine entsprechende holographische Laserprojektion.

Obama: Nationaler Notstand bei Cyberangriffen

1. April 2015

US-Präsident Barack Obama hat die steigende Zahl der Hackerangriffe auf die USA als nationalen Notstand eingestuft. Er ordnete jetzt an, die Verantwortlichen für Cyberattacken mit Sanktionen zu belegen.
Amerikanische Infrastruktur ist immer wieder Ziel von Cyberattacken. Millionen Verbraucher wurden in den vergangenen Jahren Opfer von Datendiebstahl. Alleine bei dem Einzelhandelsriesen Target sollen Kreditkarteninformationen von bis zu 40 Millionen Kunden in die Hände von Kriminellen gelangt sein.
Der Cyberangriff im vergangenen November auf die Computersysteme des Filmstudios Sony Pictures ist noch immer nicht abschließend aufgeklärt, soll aber von nordkoreanischen Hackern durchgeführt worden sein.
China steht immer wieder im Verdacht, eine Sondereinheit seiner Volksbefreiungsarmee einzusetzen, um Handelsgeheimnisse von US-Unternehmen zu stehlen.
Obama drohte sowohl einzelnen Hackern als auch Unternehmen, die von den Cyberangriffen profitieren, mit Konsequenzen. Ausdrücklich erwähnte der Präsident Attacken aus China, Russland, Nordkorea und Iran. Bislang sei es wegen schwacher Gesetze oft schwierig gewesen, "dubiose Akteure" zur Rechenschaft zu ziehen.
Zu den Schwierigkeiten, die tatsächlichen Akteure zu ermitteln und zu den von den USA ausgehenden Cyberattacken sagte Obama nichts…

UN: Grundrecht auf Datenschutz gestärkt

Bild: UN Geneva

27. März 2015

Die Vereinten Nationen bekommen erstmals in ihrer Geschichte einen Sonderberichterstatter, der das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Datenschutz vertritt. Zunächst für drei Jahre soll der neue Berichterstatter gemäß der von Brasilien und Deutschland initiierten Entschließung Verstöße der Mitgliedsstaaten gegen die im Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Artikel 17 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte verankerte Datenschutzrechte aufdecken. Dabei soll auch die Überwachungspolitik der Mitgliedsländer beobachtet werden.
Außenminister Walter Steinmeier bemerkte dazu in Berlin: „Mit der unaufhaltsamen Digitalisierung unserer Lebenswelt stehen wir beim Schutz der Privatsphäre vor neuen Fragen, die spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden auch in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden. Ein effektiver Schutz der Privatsphäre lässt sich nur gemeinsam und global erreichen.
Bürgerrechtsorganisationen weltweit haben die Nachricht positiv aufgenommen und wollen den Berichterstatter unterstützen.

Schwedische Parlamentarier besuchen Snowden

27. März 2015

Ende letzten Jahres war Edward Snowden mit dem „Alternativen Nobelpreis“, dem schwedischen Right Livelihood Award ausgezeichnet worden. Da Snowden auch in Schweden kein Asyl erhalten hatte, konnte er bei der Preisverleihung nur per Video zugeschaltet werden.
Nun haben drei schwedische Parlamentarier Snowden in Moskau besucht. Das war die erste Parlamentsdelegation, die er empfangen konnte. Teilnehmer waren Cecilia Magnusson (Moderate Sammlungspartei), Mathias Sundin (Volkspartei Die Liberalen) und Jakop Dalunde (Umweltpartei Die Grünen).
Ziel dieses von der Right Livelihood Award Foundation organisierten Besuchs ist es, die Chancen zu erhöhen, dass Edward Snowden seine Auszeichnung zu einem späteren Zeitpunkt in Stockholm selbst wird entgegennehmen können. „Wenn Schweden Snowden willkommen heißt, dann werden sich dem hoffentlich weitere Länder anschließen.“ sagte Jakob von Uexküll, der Stifter des „Alternativen Nobelpreises“.

BND-Aufsicht: mangelhaft!

26. März 2015

Klaus Landefeld, Aufsichtsrat beim Frankfurter Netzknoten DE-CIX – dem Internet-Knoten mit dem weltweit größten Datendurchsatz – berichtete im NSA-Untersuchungsausschuss vom Fortbestehen der Abhörpraxis des BND seit 2009. Trotz schwerer Bedenken habe der DE-CIX diese Praxis hinnehmen müssen.
Zudem soll das Bundeskanzleramt mehrmals interveniert haben und sowohl die G10-Kommission, als auch die Bundesnetzagentur davon abgehalten haben, das Abhören zu untersuchen.
Weiterhin führte Landefeld aus, dass der BND sich nicht nur für außerdeutsche Leitungen interessiere, wie etwa in den arabischen Raum, sondern auch für innerdeutsche Leitungen, auf denen über 90 Prozent des Verkehrs grundrechtsgeschützt sei. Es ließe sich „absolut nicht trennscharf“ entscheiden, was im Netz „deutsch ist oder nicht“.
Der Zeuge forderte von der Politik, eindeutige Vorschriften zu erlassen, was gesetzlich zulässig sei, und insbesondere Grenzen zu setzen für die erlaubte Speicherdauer.
Die erste Anforderung des BND ging 2009 an den DE-CIX, führte Landefeld aus. Da die Wünsche sehr weit gegangen seien, hätten die Zuständigen versucht, Kontakt mit der G10-Kommission des Bundestags aufzunehmen, die einschlägige Anträge genehmigen muss. Bis auf ein Mitglied habe sich aber kein Abgeordneter zu einem Gespräch bereit erklärt. Im Anschluss habe das Bundeskanzleramt klargestellt, dass der DE-CIX vor Erhalt einer Anordnung schweigen müsse und auch danach Geheimhaltungsvorschriften unterliege.

Drohte die US-Regierung Deutschland?

Bild: The White House (public domain)

23. März 2015

Im Anschluss an die Verleihung des „Siebenpfeiffer-Preises 2015“ an Glenn Greenwald vor einer Woche hatte dieser Vizekanzler Sigmar Gabriel gefragt, warum die Bundesregierung Snowden kein Asyl gewähren wolle. Der SPD-Chef habe ihm daraufhin gesagt, die US-Regierung habe "aggressiv gedroht", in diesem Falle würde Deutschland von jeglichem Austausch geheimdienstlicher Erkenntnisse "abgeschnitten".
Eine solche massive Drohung war bisher nur von Seiten des britischen Geheimdienstes GCHQ bekannt, als dieser verhindern wollte, dass interne Unterlagen dem Untersuchungsausschuss zugänglich gemacht werden.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz meint hierzu: „Der Eindruck läge nahe, man habe als Bundesregierung im nunmehr zwei Jahre andauernden Skandal eine Aussage des Schlüsselzeugen Snowden vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages allein aus Rücksicht und Angst vor der Drohung von US-Seite verhindert.“
Noch ist nicht klar, ob es diese Drohung tatsächlich gab, oder ob damit vielleicht nur von eigenen Versäumnissen abgelenkt werden sollte? Ein hoher Beamter der US-Regierung erklärte nämlich gegenüber der WELT: "Deutschland ist einer unserer engsten Partner. Die Vorstellung, wir würden drohen, den Austausch von Informationen einzuschränken, ist haltlos…

Glenn Greenwald mit Siebenpfeiffer-Preis geehrt

Bild: Screencopy SR Mediathek

15. März 2015

Der US-Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald ist wieder zu Besuch in Deutschland. Am 13. März gab er der Saarbrücker Zeitung ein Interview, in dem er US-Präsident Barack Obama scharf kritisierte:
"Das Überwachungssystem wurde sehr stark ausgeweitet, seitdem er Präsident ist – und zwar viel stärker als unter Präsident (George W.) Bush". Obama habe die Möglichkeit, die Abhörprogramme des US-Geheimdienstes NSA zu stoppen, tue es aber nicht. "Das zeigt, wie er wirklich tickt." Als "größte Bedrohung für die Privatsphäre der europäischen Bürger" bezeichnete der Snowden-Vertraute jedoch die britischen Behörden. Deren Geheimdienst GCHQ gehe "noch schärfer vor als die NSA".
Am 15. März wurde Glenn Greenwald dann im saarländischen Homburg mit dem "Siebenpfeiffer-Preis 2015" für "Verdienste um Pressefreiheit und demokratische Transparenz" ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis erinnert an Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845). Dieser war einer der Initiatoren des Hambacher Festes, bei dem 1832 Menschen in der Pfalz für Freiheit und Demokratie demonstrierten.
In seiner Laudatio wollte Vizekanzler Sigmar Gabriel zwar nicht alle Positionen Glenn Greenwalds teilen, fand aber immerhin harte Worte für die Politik der USA. Die NSA-Überwachung sei mehr als ein Gesetzesverstoß, sie lege Hand an die "westliche Wertegemeinschaft", in der individuelle Freiheit und der Schutz der Persönlichkeit vorgehen.

SAP kuschelt mit US-Geheimdiensten

10. März 2015

US-Geheimdienste wie die NSA nutzen für die massenhafte Überwachung von Menschen und deren Daten Technologien des deutschen IT-Konzerns SAP. Das haben Recherchen des ARD-Magazins FAKT ergeben. Mit Hilfe der SAP-Datenbank-Software Hana ist die schnelle Verarbeitung von großen Datenmengen möglich.
Verarbeitet werden insbesondere die sogenannten Metadaten aus der Massenüberwachung von Telefongesprächen, WhatsApp- und SMS-Chats sowie von E-Mails und Facebook. Mit diesen Informationen können Geheimdienste Personen finden, Reiserouten nachvollziehen und am Ende sogar Verdächtige umbringen – zum Beispiel durch Drohnenangriffe. "Wir töten Menschen auf der Basis von Metadaten", sagte der frühere NSA- und CIA-Chef Michael Hayden vergangenes Jahr. Auf einer Tagung der amerikanischen SAP-Tochterfirma bedankte er sich schon einmal für die Mithilfe an diesen Hinrichtungen aus der Luft: "Sehr viel, was wir anhand der Datenbanken machen, ist die Zielauswahl. Dank Gott, dass sie uns dazu in die Lage versetzen."
Die Opposition im Bundestag fordert nun eine stärkere Kontrolle beim Export solcher Software: "Diese Programme können gefährlicher sein als Schlagstöcke oder Waffen. Darum brauchen wir internationale Abkommen", sagt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Zudem sei es "hochbedenklich", wenn die SAP-Software wie geplant auch beim deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) zum Einsatz komme. Denn diese stehe offenkundig unter der Kontrolle und dem Zugang von anderen Geheimdiensten.

Wikimedia verklagt die NSA

Bild: liarpoliticians
BBC NEWS

10. März 2015

Wikimedia-Gründer Jimmy Wales und die derzeitige Geschäftsführerin der US-Stiftung Lila Tretikov haben am Dienstag in einem Gastkommentar in der New York Times eine Klage gegen die NSA angekündigt.
Unter der Überschrift "Hört auf, Wikipedia-Nutzern nachzuspionieren" erklären sie, dass die Geheimdienste mit ihren Spionageprogrammen die Rechte der Wikipedia-Nutzer routinemäßig verletzen. So befassten sich die Autoren der Online-Enzyklopädie mit so brisanten Themen wie der chinesischen Demokratiebewegung oder den Rechten von Homosexuellen in Uganda. "Diese Freiwilligen sollten ihre Arbeit tun können ohne dass die US-Regierung erfasst, was sie lesen und schreiben", fordern Wales und Tretikov. Anderenfalls könnten Wikipedia-Autoren in anderen Ländern, die sich kritisch über ihre Regierung äußern durch die Zusammenarbeit der NSA mit anderen Geheimdiensten gefährdet werden. Beispiele hierfür gibt es für die Zeit des sog. Arabischen Frühlings insbesondere aus Ägypten.
Wikimedia hat die Klage gemeinsam mit Bürgerrechtsgruppen vorbereitet. Auch Amnesty International und Human Rights Watch sind beteiligt. Vertreten werden die Kläger von der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation ACLU. Sie wollen ein Ende der massenhaften Internet-Überwachung der NSA erstreiten. Die Kontrolle des Internetverkehrs ohne konkreten Anlass verstoße gegen die US-Verfassung, heißt es in der Klageschrift.

Jamboree, die große Sause

10. März 2015

Der US-Geheimdienst CIA hat über Jahre daran gearbeitet, die Sicherheit von Apple-Geräten zu brechen. Das geht aus von Whistleblower Edward Snowden überlieferten Geheimdokumenten hervor, die The Intercept veröffentlicht hat.
Jamboree nennt sich ein seit 2006 jährlich stattfindendes geheimes Hacker-Fest der CIA. Eingeladen sind auch Experten der NSA und externer Dienstleister. Dort werden mögliche Schwachstellen in Soft- und Hardware aktueller Geräte untersucht, um die Verschlüsselung insbesondere von Apple-Produkten aber auch von Microsoft zu knacken.
Apple ist eines der US-Unternehmen, die versuchen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Unter CEO Tim Cook treibt Apple die Verschlüsselung von Nutzerdaten voran – und erregt damit den Unmut der Geheimdienste. Die Sicherheit der Dienste Facetime und iMessage gilt nach Analysen der Electronic Frontier Foundation als vorbildlich. Mit der neuen Version des mobilen Betriebssystems iOS 8 ist es Apple nicht mehr möglich, auf einen Großteil der verschlüsselten Nutzerdaten zuzugreifen. Selbst dann nicht, wenn Strafverfolger einen Gerichtsbeschluss zur Auswertung eines beschlagnahmten Geräts vorlegen.

Mit gezinkten Karten…

6. März 2015

Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat es wahrlich nicht leicht. Mal schmeißt ihnen das Kanzleramt ein paar Knüppel zwischen die Beine, mal nur eine Nebelkerze vor die Tür und manchmal sind es die leitenden Beamten des BND, die das Verwirrspiel befördern.
Mehr als hundert Dokumente hat der Bundesnachrichtendienst dem NSA-Ausschuss vorenthalten. Das geht aus einem Schreiben des Kanzleramts an das Gremium hervor. Der BND spricht von einem Versehen.
Wenn sich ein Zeuge nicht "verplappert" hätte, so Martina Renner, Linken-Obfrau im NSA-Ausschuss, hätte man nie von der Existenz der Dokumente erfahren. Der Vorfall sei besonders gravierend, "weil der BND gegenüber dem Ausschuss schon fälschlicherweise behauptet hatte, man habe den Beweisbeschluss vollständig erfüllt."
Und endlich hat ein früherer BND-Abteilungschef vor dem Ausschuss bestätigt, dass die NSA die in der Operation Eikonal abgefischten Daten nicht nur nach Terroristen sondern auch nach interessanten Wirtschaftsdaten mit Hilfe von Stichwörtern wie "EADS" (Airbus), "Eurocopter" oder "französische Behörden" durchforsten wollte.

Die Geheimnisse des GCHQ

2. März 2015

Das Kanzleramt hatte vor einigen Wochen ein scharf formuliertes Schreiben des britischen Geheimdienstes GCHQ erhalten. Darin drohten die Briten, die Zusammenarbeit bei der Terrorabwehr einzustellen, sollte der Bundesnachrichtendienst (BND) weiterhin ihre Papiere im NSA-Untersuchungsausschuss vorlegen.
Die britische Regierung steht unter Druck. Erstmals in seiner 15-jährigen Geschichte verurteilte in diesem Februar das für die britischen Geheimdienste zuständige "Investigatory Powers Tribunal" die Regierung wegen des massenhaften Datenaustauschs mit der NSA – das verstoße gegen die europäische Menschenrechtscharta. Weitere Klagen vor Gerichten sind anhängig, die britische Regierung ist nervös.
Aus den Snowden-Dokumenten ist bekannt, dass der GCHQ bei der anlasslosen Massenüberwachung an führender Stelle mitwirkt und dass die Überwachung nicht nur auf Terroristen zielt, sondern auch auf Politiker und führende Wirtschaftsunternehmen.
Wird das Kanzleramt dem Untersuchungsausschuss des Parlaments trotz der britischen Warnungen die benötigte Akteneinsicht gewähren? Oder wird es wieder versuchen, dem Parlament unter Verweis auf das Staatswohl weitere Auskünfte zu verweigern? Zumindest die Vertreter der Oppositionsparteien scheinen entschlossen zu sein, dann vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu klagen.

Wir sind die Guten!

27. Februar 2015

Westliche Regierungen einschließlich der Vereinigten Staaten und Großbritannien haben seit Jahren von den Hightech-Unternehmen gefordert, dass sie ihre Verschlüsselungsmethoden offenlegen sollten. Verantwortliche wie FBI-Direktor James Comey und NSA-Direktor Mike Rogers haben Internetfirmen wie Apple, Google, Microsoft öffentlich davor gewarnt, eine Verschlüsselung zu nutzen, die von den Strafverfolgungsbehörden nicht geknackt werden kann. Zumindest die NSA soll und muss – im Kampf gegen den Terror – jederzeit Zugriffsmöglichkeiten auf alle Daten haben.
Das wollen nun aber andere Staaten auch. So plant China ein Anti-Terror-Gesetz, das den chinesischen Behörden Zugriff auf alle Daten im Netz erlaubt.
Diese Pläne Chinas hat US-Präsident Barack Obama jetzt scharf kritisiert. Er sei besorgt, weil Technologiekonzerne wie Apple oder Microsoft den chinesischen Behörden Zugriff auf ihre Verschlüsselungscodes geben und Hintertüren in ihre Programme einbauen müssten, die eine Überwachung durch die Chinesen erlauben. Er habe das Thema bereits gegenüber Präsident Xi Jinping angesprochen, sagte Obama. "Wir haben sehr deutlich gemacht, dass sie das ändern müssen, wenn sie mit den USA Geschäfte machen wollen".

Schöningen: 1 Million Metadatensätze täglich

26. Februar 2015

Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags bemüht sich weiterhin, auch die Praktiken des Bundesnachrichtendienstes (BND) aufzuklären. Dabei spielen die Standorte Schöningen und Rheinhausen eine wichtige Rolle.
Hinsichtlich der von der Dienststelle in Rheinhausen betreuten Kooperation des BND mit der CIA (Operation Glotaic) gehen die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags davon aus, dass der BND über eine oder mehrere Tarnfirmen Daten eines nordrhein-westfälischen Netzknotens des US-Providers MCI im großen Stil abgezweigt hat. Das Gremium hat daher einen Beweisantrag beschlossen, um Licht ins Dunkel um die mögliche Rolle derartiger heimlicher Verbindungsstationen zu bringen.
Die BND-Außenstelle im niedersächsischen Schöningen fängt weltweit Satellitenkommunikation ab. Täglich sind das rund eine Million Metadatensätze. Dies räumte der dortige Dienststellenleiter am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags ein. Zudem würden 300.000 bis 400.000 Telefonate mitgeschnitten. Pro Gespräch würden dabei mehrere Megabyte an Speicherbedarf benötigt.
Der Zeuge, der unter dem Kürzel E.B. auftrat, wies eine Verbindung mit dem weltweiten Drohnenkrieg der USA jedoch zurück. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass solche Daten nie zu einem solchen Einsatz genutzt wurden", sagte B.

Fünf Gründe gegen Massenüberwachung

24. Februar 2015

Sinngemäße Übernahme des englischen Textes von Amnesty International:

  1. Massenüberwachung stellt uns alle unter Generalverdacht: Die Snowden-Dateien zeigen, dass unsere Regierungen alles aufsaugen, jegliche private Kommunikation und jede Spur digitaler Daten, die wir hinterlassen. Indem sie dies tun, geben sie langjährige Rechtsgrundsätze auf, die besagen, dass Überwachung immer zielgerichtet sein muss, gestützt auf einen hinreichenden Verdacht und genehmigt durch eine unabhängige Instanz wie einen Richter.
  2. Massenüberwachung hilft nicht dabei, Terroristen ausfindig zu machen oder zu stoppen: Dies zeigte sich auch wieder bei den Terroranschlägen von Paris, bei denen die Verdächtigen den Sicherheitsbehörden ja vorher bekannt waren.
  3. Durch Massenüberwachung werden grundlegende Rechte abgebaut: Seit Jahrhunderten haben Gesellschaften Regeln zum Schutz der Menschen entwickelt. Dazu gehören das Recht auf Privatsphäre und die Unschuldsvermutung, d.h. dass Freiheitsrechte nur eingeschränkt werden dürfen, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt.
  4. Massenüberwachung kann zur Kontrolle genutzt werden: Manche sagen: „Wenn du nichts Falsches getan hast, musst du auch nichts verbergen.“ Das setzt aber ein großes Vertrauen in eine Regierung voraus, die jedermanns Privatleben durchleuchten und dies auch jederzeit missbrauchen könnte. Wir wissen, dass diese Daten genutzt werden können, um Journalisten zu kontrollieren, Aktivisten zu verfolgen, Minderheiten zu diskriminieren und die Redefreiheit einzuschränken. Auch wenn dies heute nicht zu befürchten wäre, wie sieht das morgen aus?
  5. Massenüberwachung ist eine Bedrohung der freien Rede im Netz: Das Internet stand immer für die Chance eines freien Gedankenaustauschs. Jetzt versuchen Regierungen uns einzureden, dass das Grundrecht auf Privatsphäre online nicht mehr gelten soll. Wenn ich mit dem Handy telefoniere, eine SMS oder eMail verschicke, eine Webseite besuche, dann sind meine Daten nicht mehr privat.

Geheime Hinter- oder Vordertüren?

Bild: Screencopy New America

23. Februar 2015

Der neue NSA-Direktor Admiral Mike Rogers bemüht sich, verloren gegangenes Vertrauen in die Arbeit der Geheimdienste wieder zurückzugewinnen und stellt sich auch den Kritikern. Auf einer Sicherheitskonferenz wurde er nun von Yahoo-Sicherheitschef Alex Stamos in Bedrängnis gebracht.
US-Behörden bestehen – wie auch die britische Regierung – darauf, Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten der Kunden ihrer IT-Konzerne zu haben. Dazu benötigen ihre Geheimdienste eine geheime Hintertür. Unter Berufung auf Verschlüsselungsexperten wie Bruce Schneier und Ed Felton verwies Stamos darauf, dass Kryptoprogramme nicht wirklich mit Hintertüren ausgestattet werden könnten. "Das ist so, als würde man ein Loch in eine Windschutzscheibe bohren", sagte Stamos.
Da Yahoo – wie die meisten anderen großen IT-Konzerne – in vielen anderen Ländern der Welt tätig sind, fragte Alex Stamos dann, ob Yahoo seine Hintertüren dann auch den jeweils anderen Regierungen zur Verfügung stellen sollte.
Mike Rogers antwortete erst ausweichend, meinte dann aber, dass man eine gesetzlich geregelte „Vordertür“ einbauen müsste.

Oscar für Snowden-Doku "Citizenfour"

23. Februar 2015

Der Film "Citizenfour – Edward Snowden" der US-amerikanischen Filmemacherin Laura Poitras – eine Koproduktion mit NDR und BR – hat den Oscar in der Kategorie "Beste Dokumentation" erhalten. Snowden habe "Bedrohungen nicht nur für unser Privatleben, sondern auch für unsere Demokratie" aufgedeckt, sagte Poitras. "Ich danke dir, Edward Snowden, für deinen Mut. Ich teile diesen Preis mit Glenn Greenwald und anderen Journalisten, die die Wahrheit enthüllen", ergänzte die in Berlin lebende Filmemacherin sichtlich bewegt.
Der Film hatte zuvor bereits zahlreiche nationale und internationale Preise gewonnen. Anfang Februar wurde er in der Kategorie bester Dokumentarfilm mit dem wichtigsten britischen Filmpreis ausgezeichnet, dem "British Academy Film Award" (BAFTA). Zudem erhielt Poitras von der Directors Guild of America den Preis für die beste Dokumentation des Jahres.
"Citizenfour" ist nach "My Country, My Country" (2006) und "The Oath" (2010) der dritte Teil der 9/11-Trilogie von Laura Poitras. Sie thematisiert darin die weltweiten Auswirkungen des "Kriegs gegen den Terror" nach den Anschlägen vom 11. September 2001.

SIM- und Kreditkarten unterwandert

19. Februar 2015

Aus einem Bericht von The Intercept, der sich auf Snowden-Dokumente stützt, geht hervor, dass der britische Geheimdienst GCHQ und die US-amerikanische NSA im April 2010 eine gemeinsame Einheit namens Mobile Handset Exploitation Team (MHET) ins Leben gerufen haben, deren Aufgabe es ist, Schwachstellen in Mobiltelefonen zu finden und auszunutzen.
Diese Einheit war offensichtlich erfolgreich, denn sie konnte in interne Netzwerke der großen SIM-Karten-Hersteller und Netzbetreiber eindringen und eine Unzahl geheimer elektronischer Schlüssel kopieren.
Dadurch können sie die Sicherheitsvorkehrungen vieler Chiphersteller aushebeln: SIM-Karten, elektronische Reisepässe, Kredit- und Debitkarten, elektronische Türöffner, TAN-Generatoren und so weiter sind nicht mehr sicher, da man den darin verbauten Chips und den mit ihnen verbundenen Schlüsseln nicht mehr vertrauen kann. Den Geheimdiensten ist es dadurch möglich, mobile Übertragungen einfach mitzulesen oder auch rückwirkend zu entschlüsseln.

Hacker der Superlative: “Equation Group” / NSA

17. Februar 2015

Die Sicherheitsexperten des russischen Antivirenspezialisten Kaspersky berichten über eine Spionagesoftware der Superlative, die seit vielen Jahren gezielt Computer von Regierungen, Militärs und anderen hochrangigen Zielen angreift. Die sich unlöschbar auf Festplatten bekannter Hersteller einnistet, die sensible Informationen selbst aus vom Internet getrennten Rechnern abschöpft und mit extrem aufwendigen Methoden alle Schutzvorkehrungen umgeht.
Die von Kaspersky „Equation Group“ getauften Entwickler wären "wahrscheinlich eine der raffiniertesten Cyberangriffsgruppen der Welt und die am weitesten entwickelte Bedrohung, die wir je gesehen haben."
Die Spionagesoftware der Gruppe beherrscht mehrere Tricks, die zu den Kernfunktionen der Malware Stuxnet und Regin gehören. Da es inzwischen als sicher gilt, dass diese von der NSA und ihren Verbündeten entwickelt wurden, muss die „Equation Group“ zumindest zum Umfeld der NSA gerechnet werden.
Das Ziel der Spionageangriffe waren neben Regierungen und Militärs auch Atomforschungseinrichtungen, Telekommunikationsunternehmen, Medien, islamische Gelehrte und Aktivisten sowie Experten für Nanotechnologie und Verschlüsselung. Zwei anonyme ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter haben Reuters zudem versichert, dass die Analyse von Kaspersky korrekt ist.