Anhörung des Dr. Graulich: Mehr als fragwürdig…

6. November 2015

Die Bundesregierung hat trotz schärfster Proteste der Opposition dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss des Parlaments noch immer die Einsicht in die NSA-Selektorenlisten verweigert, die fast 40.000 problematische Suchbegriffe enthalten sollen. Der stattdessen von der Bundesregierung eingesetzte Sondergutachter Dr. Kurt Graulich, ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht, hat einen Prüfbericht erstellt und ist nun als Sachverständiger vom Untersuchungsausschuss geladen.
Geheime Dokumente, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, zeigen, dass Graulich in seinem Abschlussbericht wichtige rechtliche Einschätzungen ohne Quellenangabe aus einem vertraulichen, vier Seiten langen Kurzgutachten des Bundesnachrichtendienstes abgeschrieben hat und somit als ein parteiliches Sprachrohr des BND zu bewerten ist.
Die Süddeutsche erläutert:

Das Gutachten behandelt zwei für den BND elementare Rechtsfragen. Da ist zum einen die sogenannte Weltraumtheorie, die sich der BND zurechtgelegt hat. Danach soll es zulässig sein, dass der BND Datenströme, die er über seine Satellitenabhörstation in Bad Aibling aus dem Weltraum gefischt hat, ohne jede rechtliche Einschränkung an die Spionage-Partner von der NSA weiterleitet. Für den BND stehen im Weltraum erhobene Daten nämlich nicht unter dem Schutz des Grundgesetztes. Zudem geht es um den Umgang mit Metadaten, die der BND grundsätzlich für nicht personenbezogen hält. Und damit rechtlich für vogelfrei.

Nach der Sitzung des Untersuchungsausschusses konstatiert heise online:

Vertreter der Opposition und der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die vom Bundesnachrichtendienst (BND) abgelehnten NSA Selektoren, Kurt Graulich, lieferten sich am Donnerstagabend einen heftigen Schlagabtausch im Bundestag. Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht treffe in seinem Prüfbericht "falsche Feststellungen", warf der Linke André Hahn ihm im NSA-Untersuchungsausschuss vor. Seine Fraktionskollegin Martina Renner hieb in die gleiche Kerbe: "Ich wäre froh gewesen, wenn Sie sich sachkundig gemacht hätten."

BND: Gesetzlichen Auftrag überschritten und deutsches Recht gebrochen!

30. Oktober 2015

Nachdem das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) am 15. Oktober von der Bundesregierung informiert worden war, dass der BND selbst auch Ziele in befreundeten Staaten ausspioniert hätte, wurde eine Task Force eingesetzt, um möglichst zügig mit der Überprüfung der BND-eigenen Selektoren beginnen zu können. Am 28. Oktober berichtete die Berliner Zeitung unter Berufung auf Parlamentskreise, dass die Task Force schon zu Beginn ihrer Überprüfungen jede Menge Selektoren zu Spionagezielen in "praktisch ganz Europa und den USA" gefunden habe.
Das widerspricht dann aber sowohl den gesetzlichen Bestimmungen als auch dem Auftragsprofil der Bundesregierung an den BND.
In zweiter Linie geht es aber auch um die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses, der sich weiterhin bemüht, die Machenschaften der NSA auf deutschem Boden aufzuklären und die Rolle, die der deutsche BND dabei gespielt hat. Hierbei geht es aktuell noch immer um die Selektorenlisten, die die NSA dem BND mehr oder weniger erfolgreich untergeschoben hatte. Noch immer verweigert die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss die Einsichtnahme.
Jetzt endlich – nach vier Monaten – hat Kurt Graulich, der von der Regierung mit der Durchsicht der Selektorenlisten beauftragte Sonderermittler, seinen Abschlussbericht vorgelegt. Darin erhebt er schwere Vorwürfe gegen die USA.
SPIEGEL ONLINE resümiert:

Vor allem europäische Regierungseinrichtungen seien in massiver Anzahl Spähziele der NSA gewesen. Die Amerikaner hätten damit klar gegen vertragliche Vereinbarungen verstoßen.
Aber auch deutsche Ziele, die durch das Grundgesetz vor der Ausspähung eigener Nachrichtendienste besonders geschützt sind, waren laut Graulich in überraschend großer Anzahl auf der Wunschliste der NSA zu finden. Darunter seien auch zahlreiche Wirtschaftsunternehmen aus oder mit Sitz in Deutschland gewesen.

Wenn alles mit (demokratischen) rechten Dingen zugehen würde, dann müsste jetzt auch dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss Einsicht in die Selektorenlisten – sowohl die BND-eigenen als auch die von der NSA gelieferten – gewährt werden! Denn hier haben offensichtlich alle vom Gesetzgeber vorgesehenen Kontroll- und Aufsichtsregelungen versagt.

EU-Parlament: Massenüberwachung beenden! Whistleblower schützen!

30. Oktober 2015

Bereits am 12. März 2014 hatte das EU-Parlament den Abschlussbericht zur Aufklärung der NSA-Massenüberwachung mit großer Mehrheit gebilligt und sogar gedroht, das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) platzen zu lassen, wenn die die "pauschale Massenüberwachung" nicht eingestellt würde.
Die Parlamentarier sind mit den bisherigen Entwicklungen unzufrieden, vor allem mit der Untätigkeit der EU-Kommission und dem mangelnden Willen, echte Konsequenzen im Umgang mit den USA zu ziehen.
Der Innenausschuss des EU-Parlaments (LIBE) hat nun einen Entschließungsantrag zur elektronischen Massenüberwachung vorgelegt und droht der Kommission mit Konsequenzen, sollte diese weiterhin keine konkreten Schritte unternehmen. Der Ausschuss kritisiert scharf, dass neue Überwachungsgesetze in Europa geschaffen wurden, die Geheimdiensten eher mehr Kompetenzen als eine bessere Aufsicht geben. Er appelliert an die Mitgliedsstaaten, bessere gesetzliche Grundlagen für wirksame Geheimdienstaufsicht zu implementieren.
Es wird aufgefordert, ein „Überwachungswettrüsten“ zu verhindern und festgestellt, dass von der Kommission auf der Ebene der IT-Sicherheit zu wenig getan wurde. Dringend erforderlich sei eine umfassende Verschlüsselung des Datenverkehrs und eine größere Unabhängigkeit des europäischen IT-Sektors.
Und nicht zuletzt vermisst der Ausschuss einen wirksamen Schutz von Whistleblowern und Berufsgeheimnisträgern.
Der von den Grünen und der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken eingebrachter Zusatz, der Appell an die EU-Länder, jegliche Strafverfolgung gegen Edward Snowden einzustellen und angesichts seines Status als "Enthüller und internationaler Verteidiger von Menschenrechten" seine Ausweisung oder Überstellung durch eine dritte Partei zu verhindern, wurde knapp mit 285 Stimmen gegen 281 bei 72 Enthaltungen angenommen.

Insgesamt wurde die Resolution vom Europa-Parlament dann mit deutlicher Mehrheit von 342 Stimmen gegen 274 bei 29 Enthaltungen verabschiedet.
[Wesentliche Textstellen übernommen von netzpolitik.org CC by-nc-sa]

UN-Bericht: Whistleblower schützen!

23. Oktober 2015

Der UN Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, David Kaye, stellt in einem neuen UN-Bericht fest, dass vertrauliche Quellen und Whistleblower/innen wesentliche Elemente gesunder Demokratien darstellen und von Regierungen nicht verteufelt, sondern geschützt werden sollten.
Bei der Vorstellung seines Berichtes sagte Kaye, dass unzählige Quellen eingeschüchtert werden und deswegen Informationen vorenthalten: „Zu ihrer Sicherheit bleibt ihnen zu oft nur die Möglichkeit zu schweigen, wodurch die Öffentlichkeit im Dunkeln gelassen wird und das Fehlverhalten ungestraft bleibt.“
Staaten und ihre Strafverfolgungsbehörden sollten anerkennen, dass Whistleblower oftmals wichtige Beiträge leisten. So hätten etwa Edward Snowdens Enthüllungen schon tiefgreifende und anhaltende Auswirkungen auf Gesetzgebung und Politik gehabt.
Hinsichtlich der nationalen Gesetze zum Schutz von Quellen verweist der Report darauf, dass ein Informantenschutz nicht nur für Journalisten erforderlich sei, sondern gleichermaßen für Blogger, Bürgerreporter, NGO-Mitarbeiter, Autoren, Wissenschaftler und viele andere mehr.
„Außerdem muss der Schutz mehreren aktuellen Bedrohungen entgegenwirken. An erster Stelle steht dabei die Überwachung. Die allgegenwärtige Nutzung digitaler Elektronik bei gleichzeitiger Fähigkeit von Regierungen an deren Daten und die Spuren, die sie hinterlassen, heranzukommen, stellt eine ernsthafte Herausforderung dar hinsichtlich der Vertraulichkeit und Anonymität von Quellen und Whistleblowern.“
Die Kernaussage von Kayes Report ist wohl seine Forderung, dass „die Veröffentlichung von Verletzungen der Menschenrechte oder des Völkerrechts niemals die Grundlage sein sollte für Strafen jeglicher Art“.
[Zusammenstellung unter Verwendung von netzpolitik.org CC by-nc-sa]

Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt!

Bild: Screencopy Deutscher Bundestag

16. Oktober 2015

Bundesjustizminister Maas – ursprünglich ein entschiedener Gegner der Vorratsdatenspeicherung – hatte schon vor Monaten einen Schwenk gemacht und trat seither für eine vermeintlich „grundrechtsschonende“ Form der Vorratsdatenspeicherung ein. Der Bundestag hat dem Gesetzvorschlag zugestimmt: 404 Abgeordnete votierten mit Ja, es gab 148 Gegenstimmen sowie sieben Enthaltungen.
Das Gesetz sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen die Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger zehn Wochen lang speichern müssen. Zu diesen sog. Metadaten gehören die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Zeitpunkt und Dauer der Anrufe sowie die IP-Adressen von Computern. Nur E-Mails sind ausgenommen.
Die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung argumentieren: Verbindungs- und Standortdaten von Telefon- und Internetnutzern könnten nützlich sein, um Straftaten aufzuklären. Je mehr Daten erfasst werden und je länger diese gespeichert werden, desto besser könnten die Chancen stehen, auch Jahre zurückliegende Straftaten aufzuklären.
Dadurch werden aber alle Menschen unter Generalverdacht gestellt, als potentielle Täter ins Visier genommen und unterlägen einer anlasslosen Massenüberwachung. Genau das ist aber nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verboten, da es der Unschuldsvermutung widerspricht, die in demokratisch verfassten Gesellschaften zu gewährleisten ist.
Zudem sieht das Verfassungsgericht in einer Vorratsdatenspeicherung einen besonders schweren Eingriff in die Rechtsordnung. Da die Verwendung der Daten unbemerkt stattfindet, ist sie „geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann.“
Und nicht zuletzt lassen sich aus diesen Vorratsdaten weitreichende Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen. "Verbindungsdaten können aussagekräftiger als Inhaltsdaten sein, nicht zuletzt deshalb, weil sie automatisiert analysierbar sind" formulierte der Chaos Computer Club (CCC) in einem Gutachten.
Und der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass Vorratsdaten von Berufsgeheimnisträgern (Abgeordnete, Ärzte, Apotheker, Anwälte, Journalisten, Seelsorger…) nicht gespeichert werden dürften.
Viele dieser berechtigten Einwände sind in dem neuen Gesetz nicht berücksichtigt, auch nicht die Bedenken der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern.
Opposition und Bürgerrechtler haben umgehend Verfassungsbeschwerden angekündigt…

"Drone Papers": gezielte Tötungen durch die US-Drohnen

16. Oktober 2015

Das Investigativprojekt The Intercept hat von einem nicht genannten Whistleblower Dokumente erhalten und veröffentlicht, die die Drohnen-Politik der USA von 2011 bis 2013 beleuchten. In dieser Zeit wurde unter Präsident Barack Obama das "gezielte Töten" perfektioniert.


Die Drone Papers:


Weißes Haus und Pentagon rühmen sich, dass das Programm der gezielten Tötungen präzise und die Zahl der zivilen Opfer minimal seien.
Detaillierte Dokumente der Operation Haymaker, einer speziellen Kampagne im Nordosten Afghanistans, zeigen, dass zwischen Januar 2012 und Februar 2013 mehr als 200 Menschen durch Luftschläge US-amerikanischer Spezialeinheiten getötet wurden. Nur 35 von diesen waren geplante Ziele. Aus den Dokumenten geht auch hervor, dass während einer 5-monatigen Periode von Operationen fast 90% der Toten durch Drohnenschläge nicht die eigentlichen Ziele waren. Im Jemen und in Somalia, wo die USA viel begrenztere Aufklärungskapazitäten haben, um zu bestätigen, dass die Getöteten auch die geplanten Zielpersonen waren, könnte das Verhältnis noch weit schlechter sein.
Offizielle Statistiken zum US-Drohnenkrieg gibt es nicht. Die geheimen Militär-Statistiken haben mit zivilen Opfern der Luftschläge keinerlei Problem. Im Wesentlichen gibt es nur zwei Kategorien: Opfer, die auf der Tötungsliste standen, werden "Jackpot" (Hauptgewinn) genannt. Alle weiteren Todesopfer – Männer, Frauen, Kinder – werden pauschal als "EKIA" (Enemies Killed In Action) bezeichnet.
Der erschreckende Zynismus des Drohnenkrieges zeigt sich auch in der in den Geheimdokumenten begründeten und empfohlenen Methode: Sie heißt kurz "F3" und das bedeutet "Find, Fix, Finish".

Deutschland: Relaisstation im Drohnenkrieg

Capt. Richard Koll, left, and Airman 1st Class Mike Eulo perform function checks after launching an MQ-1 Predator unmanned aerial vehicle Aug. 7 at Balad Air Base, Iraq. Captain Koll, the pilot, and Airman Eulo, the sensor operator, will handle the Predator in a radius of approximately 25 miles around the base before handing it off to personnel stationed in the United States to continue its mission.
Bild: U.S. Air Force (public domain)

15. Oktober 2015

Im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss war u.a. der ehemalige US-Drohnenpilot Brandon Bryant als Zeuge geladen. Bryant flog Drohneneinsätze im Irak, in Afghanistan, Pakistan, Somalia und im Jemen. Er bediente dabei die Kameras einer Predator-Drohne und lenkte den Laser, der dafür sorgte, dass die Hellfire-Raketen ihr Ziel trafen. Zwischen 2007 und 2011 hat er für die US-Luftwaffe 6000 Drohnenflüge mit 1626 Todesmissionen absolviert.
2011 war Bryant aus Gewissensgründen ausgestiegen. Eigentlich dürfte er gar nichts über seine Erlebnisse während der Militärzeit berichten, doch er ist zum Whistleblower geworden. Seit einem SPIEGEL-Bericht Ende 2012 ist Bryant auch in Deutschland bekannt. Anfang April 2014 kam er in einer Panorama-Sendung ausführlich zu Wort und berichtete über die besondere Bedeutung der US-Luftwaffen-Basis im rheinland-pfälzischen Ramstein, ohne die "der gesamte Drohnen-Krieg des US-Militärs nicht möglich" wäre.
Die Einbindung Deutschlands in den US-Drohnenkrieg stand auch im Untersuchungsausschuss im Mittelpunkt des Interesses. Ramstein fungierte als Relaisstation für die Kommunikation der Mannschaft mit dem Flugzeug. „Jedes einzelne bisschen an Dateninformation, das zwischen Flugzeug und Mannschaft übertragen wurde“, wurde via Ramstein geleitet, da zwischen Ramstein und dem Pentagon eine Glasfaserverbindung bestehe, die eine schnelle Datenübermittlung zulässt. Ramstein sei bisher die einzige funktionsfähige Relaisstation weltweit, wobei in Italien derzeit eine neue aufgebaut werde – vielleicht auch als Konsequenz aus den Reaktionen in Deutschland.
Zur entscheidenden Bedeutung von Telefonnummern – die ggf. auch aus deutschen Geheimdienstquellen stammen könnten – für die Todesmissionen berichtet heise online:

Die in Afghanistan, Pakistan, Somalia im Irak und Jemen verwendeten Überwachungsdrohnen waren dem Zeugen zufolge mit zahlreichen Sensoren, Kameras und einem "Gilgamesch-System" ausgerüstet. Letzteres habe als eine Art fliegender Imsi-Catcher gedient. Damit habe man SIM-Karten und Gerätenummer von Mobiltelefonnummern verfolgen, SMS abhören, Handys per Triangulierung bis auf etwa sieben Meter genau orten und herausfinden können, wer mit wem in Verbindung gestanden habe.

Auch der BND spionierte die Freunde aus!

15. Oktober 2015

Wie SPIEGEL ONLINE unter Berufung auf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestags berichtet, hat der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) zumindest bis ins Jahr 2013 hinein Tausende eigene Suchbegriffe (Selektoren) eingesetzt, mit denen Botschaften und andere Behörden von EU-Ländern sowie weiteren Partnerstaaten ausgespäht wurden. Darunter sollen sich auch französische und US-amerikanische Ziele befunden haben.
SPIEGEL ONLINE ergänzt:

Über den neuerlichen Abhörskandal informierte die Bundesregierung am Mittwochabend das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags. Die Abgeordneten wollen nun umgehend eine Task Force in die BND-Zentrale nach Pullach entsenden, um die Selektorenliste des BND einzusehen und Mitarbeiter zu befragen. Im Zentrum steht dabei die Frage, wer von der womöglich rechtswidrigen Praxis wusste und wer sie angeordnet hat.

Safe-Harbor-Urteil: USA verstoßen gegen Grundrechte

6. Oktober 2015

In dem Rechtsstreit zwischen dem österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems und dem irischen Datenschutzbeauftragten wegen Facebooks Umgang mit den Nutzerdaten hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine historische Entscheidung gefällt.
Am 23. September 2015 hatte Yves Bot, Generalanwalt am EuGH in seinem Schlussplädoyer die Ansicht vertreten, dass die USA nicht als „sicherer Hafen“ für personenbezogene Daten von EU-Bürgern hätte eingestuft werden dürfen.
Der EuGH hat nun tatsächlich das Safe-Harbor-Abkommen, die bisherige Grundlage des Datenaustauschs zwischen EU und USA, für ungültig erklärt.

SPIEGEL ONLINE und schreibt:

Ein Triumph ist das Urteil nicht nur für Max Schrems, sondern vor allem für den NSA-Whistleblower Edward Snowden. Seine Enthüllungen sind der Anlass und die Basis für die Entscheidung des EuGH. Der Gerichtshof verweist in seiner Mitteilung in seltener Klarheit auf Grundrechtsverletzungen durch die US-Geheimdienste: Sowohl der massenhafte Zugriff auf personenbezogene Daten als auch die Tatsache, dass EU-Bürger nicht einmal juristisch dagegen vorgehen können, verletzten "den Wesensgehalt" von gleich zwei Grundrechten. Snowden selbst wird sowohl im Urteilstext als auch in der Vorlage des EuGH-Generalanwalts mehrmals namentlich genannt.
Der Whistleblower hatte seine Enthüllungen stets damit begründet, dass er die Praktiken der NSA und ihrer Verbündeten für einen Verstoß gegen Grundrechte hält. Der oberste europäische Gerichtshof gibt ihm nun explizit Recht. Das Urteil gegen Safe Harbor ist die bislang gravierendste Folge von Snowdens Enthüllungen – und das stärkste Signal, dass sich Europa die schrankenlose Überwachung seiner Bewohner nicht länger bieten lassen will.

„Paranoide Schlümpfe“ cracken Smartphones

Bild: Stephanie Kroos/Flickr (Montage)

6. Oktober 2015

In einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BBC hat sich Edward Snowden auch noch einmal zu den Fähigkeiten des britischen Geheimdienstes GCHQ geäußert, auf Smartphones zuzugreifen, ohne dass der Besitzer dies erkennen kann.
Die hierfür entwickelte "Smurf Suite" (Schlumpf-Sammlung) wurde erstmals Ende Januar 2014 vom britischen Guardian aufgedeckt.
"Dreamy Smurf" (Verträumter Schlumpf) ermöglicht dem Geheimdienst Smartphones ein- und auszuschalten.
"Nosey Smurf" (Neugieriger Schlumpf) kann das Mikrofon einschalten, so dass Gespräche im Umfeld des Smartphones mitgeschnitten werden können, ohne dass der Besitzer dies bemerkt – auch wenn das Gerät ausgeschaltet war!
"Tracker Smurf" (Verfolger Schlumpf) bestimmt und sammelt die genaue Position des Smartphones – und zwar exakter als dies über die GSM-Ortung des Funknetzes möglich ist.
"Paranoid Smurf" (Wahnhafter Schlumpf) rundet die Suite ab, indem er die feindliche Übernahme des Smartphones sogar gegenüber Service- und Reparaturdiensten verbirgt.
"Statt dir wollen sie dein Telefon besitzen!" sagte Snowden im Interview.

Edward Snowden ist auf Twitter: @Snowden

Bild: Twitter

29. September 2015

Seit heute ist Edward Snowden auch über Twitter zu erreichen: @Snowden
Sein erster Tweet:

@Snowden folgt bisher nur @NSAGov, dem offiziellen Twitter-Account der NSA.
Er selbst hatte aber schon vier Stunden später eine halbe Million Follower und in weniger als 24 Stunden war die Million voll! Die NSA hat nur etwas über 100.000 Follower! „Früher war ich für die Regierung tätig, jetzt arbeite ich für die Öffentlichkeit“, heißt es im Profil des Whistleblowers.
Auch Twitter reagierte schnell: Snowdens Account wurde verifiziert und eine Animation der weltweiten Reaktion auf Snowdens Einstieg ins Twitter-Netz gestellt:

Snowden-Abkommen: Privatsphäre schützen!

Bild: Screencopy Snowden Treaty

25. September 2015

Am Vorabend der diesjährigen UN-Generalversammlung in New York, zu der mehr als 150 Präsidenten und Premierminister erwartet werden, haben Aktivisten eine Kampagne für ein Abkommen gestartet, das die Privatsphäre von Bürgern vor staatlichen Schnüffeleien schützen soll.
Bei der New Yorker Auftaktveranstaltung der sozialen Bewegung Avaaz wurde das Vorhaben vorgestellt. Der Journalist Glenn Greenwald, Edward Snowden, die Filmemacherin Laura Poitras und Greenwalds Partner David Miranda haben einen Vertrag konzipiert, das sog. „Snowden-Abkommen“, ein internationales Abkommen zum Datenschutz, das darauf abzielt, die weltweite Massenüberwachung zu beschneiden und Whistleblower besser zu beschützen.
Die Aktivisten hoffen auch auf die UNO als Plattform für ihre Bemühungen. Vor kurzem hatte deren Menschenrechts-Rat mit Joseph Cannataci erstmals einen Berichterstatter speziell für den Schutz der Privatsphäre bestellt.
Das Handelsblatt ergänzt:
Der genaue Wortlaut steht noch nicht fest, weil Avaaz ihn in Diskussion mit möglichen Unterzeichnern ausarbeiten will. Der Brasilianer David Miranda, einer der Aktivisten, hofft auf zehn bis 15 Staaten als Unterstützer, aber er sagt auch: „Das geht nur mit enormem öffentlichem Druck.“
Edward Snowden, der aus seinem russischen Exil per Video-Livestream zugeschaltet war, warnte davor, dass technische Verfahren, die zunächst in Jemen eingesetzt wurden, danach auch von der amerikanischen Polizei übernommen würden. Ähnlich bedenkliche Programme sieht er in Australien, Kanada, Großbritannien und Frankreich. „Sie alle werden als Schutz der Öffentlichkeit verkauft“, sagte Snowden, „aber alles, was sie tun, ist, die Daten der Bürger ohne Unterschied weitläufig einzusammeln“. „Es ist in den USA kein einziger Fall von Terrorbekämpfung bekannt, bei dem die Massenüberwachung der Bürger einen substanziellen Beitrag geleistet hat“.

BND löschte wieder NSA-Selektorenlisten

24. September 2015

Bei der heutigen Sitzung des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses des Bundestags waren vier Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Zeugen vorgeladen. Der Zeuge K.M., ein Sachbearbeiter in der BND-Zentrale in Pullach, sorgte für Aufregung als er freimütig berichtete, dass E-Mails eines halben Jahres mit problematischen NSA-Selektoren „versehentlich“ gelöscht worden seien.
Mit der Einsetzung des Bundestagsuntersuchungsausschusses war ein Löschmoratorium ausgesprochen worden: Das sollte verhindern, dass Beweise vernichtet werden. Offensichtlich aber hat der Bundesnachrichtendienst – willentlich oder unwillentlich – dagegen verstoßen.
Heise online weist darauf hin, dass im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss schon bei einer Zeugenanhörung im Mai dieses Jahres herauskam, dass der BND eine Selektorenliste brenzliger Ausspähziele gelöscht hatte.
Und unsere parlamentarischen Untersuchungsausschüsse haben sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass immer wieder Akten geschreddert werden oder Beweise verschwinden…
ZEIT ONLINE resümiert:

Angesichts der Tatsache, dass alles zum Thema Selektoren geheimgehalten wird, fällt es schwer, an einen Zufall zu glauben. Noch ein Detail in diesem Zusammenhang: So sagte K. M. auch, intern habe man solche Nachrichten, in denen aussortierte Selektoren aufgeführt waren, mit der niedrigsten Geheimhaltung verschickt. Unter den Abgeordneten des Ausschusses wurde daraufhin Unmut laut, da ihnen jeder Einblick in Selektorenlisten verboten ist – sie werden als "streng geheim" behandelt. Nur ein von der Bundesregierung eingesetzter sogenannter Vertrauensmann darf die Selektorenlisten sehen und dann dem Ausschuss darüber berichten. Die Opposition hat deswegen vor dem Bundesverfassungsgericht bereits eine Klage eingereicht.

USA kein „sicherer Hafen“!

23. September 2015

Yves Bot, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), ist der Ansicht, die Kommission hätte die USA nicht als "sicheren Hafen" für personenbezogene Daten von EU-Bürgern einstufen dürfen. Mit anderen Worten: Er hält das Safe-Harbor-Abkommen für ungültig.
Die Vorgeschichte: Max Schrems, österreichischer Datenschutzaktivist und Gründer von Europe versus Facebook legt sich seit Jahren immer wieder mit Facebook und der irischen Datenschutzbehörde an. Er ist überzeugt, dass das US-Unternehmen Facebook, das seinen europäischen Sitz in Dublin hat, massiv gegen europäisches Datenschutzrecht verstößt.
Spätestens seit den Snowden-Enthüllungen weiß man, dass der US-Geheimdienst NSA unmittelbar – oder durch Beschluss des Geheimgerichts FISA Court – alle US-Internetunternehmen zwingen kann, Nutzerdaten herauszugeben. Nach europäischem Datenschutzrecht dürfen personenbezogene Daten aber nur in begründeten Einzelfällen an staatliche Dienststellen weitergegeben werden. Max Schrems legte daraufhin beim irischen Datenschutzbeauftragten Beschwerde ein. Dieser wies aber die Beschwerde ab, da die EU-Kommission die Weiterleitung europäischer Daten in die USA nach dem sog. „Safe-Harbor-Abkommen“ gestattet habe. Schrems gab sich mit dieser Begründung nicht zufrieden und zog vor den obersten irischen Gerichtshof. Dieser wiederum legte den Fall dem EuGH in Luxemburg vor.
ZEIT ONLINE folgert:

Nun also hat der Generalanwalt seine Schlussanträge veröffentlicht. Meistens, aber nicht immer, folgt das Gericht der Meinung des Generalanwalts. Das wäre in diesem Fall brisant, denn wenn Safe Harbor kippt, bräuchten mehr als 4.000 US-Unternehmen eine neue rechtliche Grundlage oder ein anderes Abkommen für den Datentransfer aus Europa.

Der Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, Alexander Sander, kommentiert:

Der Generalanwalt tut einen überfälligen Schritt, um dem politischen Rumgeeiere bei der geheimdienstlichen Massenüberwachung ein Ende zu setzen. In seinem Votum stellt er nicht nur klar, dass die Kommission den Schutz personenbezogener Daten seit Jahren schleifen lässt. Er plädiert auch dafür, die von Edward Snowden enthüllte Totalüberwachung der elektronischen Kommunikation durch US-Dienste erstmals höchstrichterlich zu bestätigen. Folgt das Gericht dem Votum, so können politische Entscheidungsträger in Deutschland und Europa die Massenüberwachung künftig nicht mehr als unbewiesene Behauptung abtun.

Sarah Harrison mit Willy-Brandt-Preis geehrt

Bild: Screencopy Ruptly TV

18. September 2015

Die britische Aktivistin und Whistleblower-Verteidigerin Sarah Harrison wird in diesem Jahr von der SPD für ihren besonderen politischen Mut geehrt. Sie wird mit einem Sonderpreis der höchsten Auszeichnung der SPD, dem „Willy-Brandt-Preis“, geehrt.
Bekannt wurde Sarah Harrison durch ihr Engagement für die Enthüllungsplattform WikiLeaks und ihre Unterstützung für verschiedene Whistleblower. Im Sommer 2013 blieb sie an der Seite von Edward Snowden auf seiner Flucht in den Moskauer Flughafen. Die Britin unterstützte Snowden bei seinem Asylantrag in Russland. Einige Jahre zuvor arbeitete sie mit den WikiLeaks-Gründer Julian Assange zusammen. Sie half ihm auch bei seiner Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London, in der er sich seit über drei Jahren befindet. Das Zitat „Mut ist ansteckend“ stammt von ihm.
„Ihr Wirken stehe exemplarisch für das Streben nach Transparenz und den Einsatz gegen ausufernde Überwachung“, begründet die SPD die Wahl. „Sarah Harrison hat mit ihrem Engagement für WikiLeaks und speziell in der Begleitung von Edward Snowden großen politischen Mut bewiesen.“ In Deutschland war lange über ein Asyl für Edward Snowden gestritten worden. Nach den Monaten an der Seite von Edward Snowden zog sie nach Berlin, da sie befürchtet, bei einer Rückkehr nach Großbritannien festgenommen zu werden. [Auszug aus Sabine Bock/Pressenza CC by 4.0]

EU: Menschenrechte und Technologie

10. September 2015

Am Dienstag verabschiedete das europäische Parlament eine Entschließung zu Technologieexporten. Darin mahnte es an, welche Rolle europäische Technologien derzeit beim Ausbau von Massenüberwachung weltweit spielen…
So heißt es in der Resolution vom vergangenen Dienstag, das EU-Parlament „vertritt die Auffassung, dass die aktive Komplizenschaft bestimmter Mitgliedstaaten der EU an der Massenüberwachung der Bürger und der Ausspionierung politischer Führungspersönlichkeiten durch die NSA, wie sie von Edward Snowden enthüllt wurden, der Glaubwürdigkeit der Menschenrechtspolitik der EU schwer geschadet und das weltweit herrschende Vertrauen in die Vorteile der IKT unterlaufen haben.“
Die Entschließung ist ein klarer Seitenhieb auch in Richtung der bundesdeutschen Geheimdienstaufsicht…
Eine klare Ansage ging an die EU-Kommission, ein wirksames Gesetz zum Whistleblowerschutz auf den Weg zu bringen, das ihnen einen internationalen Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung zu gewähren soll. Die Enthüllungen von rechtswidrigen Überwachungspraktiken machen Whistleblower und Journalisten zu Menschenrechtsverteidigern, die von der EU zu schützen wären. Netzneutralität, Verbreitung von Offener Software in Drittländern und die Förderung von Verschlüsselung sieht das Parlament außerdem als notwendige Ziele an. [Auszüge aus netzpolitik.org CC by-nc-sa]

BND an die Kette legen!

5. September 2015

Aus der Pressemitteilung der Humanistischen Union:
Heute haben über 150 Menschen den BND vor seiner neuen Zentrale an der Berliner Chausseestraße symbolisch an die Kette gelegt. Die Menschenkette zog mit riesigen Kettengliedern vor das BND-Gelände und schloss die Kette mit einem Vorhängeschloss. Wenige Tage vor der Wiederaufnahme des NSA-Untersuchungsausschusses forderten die Demonstranten eine sofortige Aufklärung des BND-Skandals, den Stopp der anlasslosen Massenüberwachung und eine wirksame Kontrolle des Geheimdienstes. Zur Kundgebung und Menschenkette hatte ein Bündnis von Amnesty International, Digitalcourage, Humanistische Union, Internationale Liga für Menschenrechte, Reporter ohne Grenzen, Whistleblower-Netzwerk und #wastungegen Überwachung aufgerufen.
Werner Koep-Kerstin, Bundesvorsitzender der Humanistischen Union: „Wir legen den BND an die Kette, weil er den Boden von Demokratie und Rechtstaatlichkeit verlassen hat. Wer millionenfach und ohne Anlass Menschen ausspioniert und ihre privaten Kommunikationsdaten an amerikanische Geheimdienste weitergibt, ist eine Gefahr für unser Land. Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung bisher nicht zur Aufklärung dieser illegalen Überwachung beigetragen hat. Mit unserer Aktion fordern wir Merkel und Co. zu Aufklärung, Transparenz und Kontrolle auf.“

Verfassungsschutz zahlt mit unseren Daten


public domain

27. August 2015

Die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT ist im Besitz einer Übereinkunft, die zwischen dem US-amerikanischen Geheimdienst National Security Agency (NSA), dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geschlossen wurde. Im April 2013 vereinbarten diese drei Dienste, dass das BfV die NSA-Spionagesoftware XKeyscore erhält und nutzen darf und dafür im Gegenzug "in größtmöglichem Ausmaß" alle relevanten Daten mit der NSA teilen werde.
Aus den Snowden-Dokumenten ist seit Juli 2013 bekannt, dass der BND XKeyscore einsetzt. Damals hatte die Bundesregierung behauptet, erst aus der Presse von den Spähprogrammen der US-Regierung erfahren zu haben. Nun ist belegt, dass die zuständigen Organe schon Monate vorher in Kenntnis gesetzt worden sein mussten… oder sie sind ihren gesetzlichen Aufsichtspflichten in erschreckendem Umfang nicht nachgekommen.
SPIEGEL ONLINE präzisiert die Funktionsweise des Programms:

Das System XKeyscore ist einer internen NSA-Präsentation vom Februar 2008 zufolge ein ergiebiges Spionagewerkzeug und ermöglicht annähernd die digitale Totalüberwachung. Ausgehend von Verbindungsdaten ("Metadaten") lässt sich darüber beispielsweise rückwirkend sichtbar machen, welche Stichworte Zielpersonen in Suchmaschinen eingegeben haben. Zudem ist das System in der Lage, für mehrere Tage einen "full take" aller ungefilterten Daten aufzunehmen – also neben den Verbindungsdaten auch zumindest teilweise Kommunikationsinhalte.

ZEIT ONLINE ergänzt, dass XKeyscore beim Verfassungsschutz unter dem Decknamen "Poseidon" betrieben wird, um die Verbindung zur NSA zu verschleiern, und dass diese Spähsoftware ein mächtiger Datenknacker ist, denn sie fände jedes Passwort, und resümiert:

Weder der Datenschutzbeauftragte noch das zur Überwachung des Verfassungsschutzes eingesetzte Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKGr) wurden bislang vollständig über die Abmachung informiert. "Wieder muss ich von der Presse von einem neuen Vertrag BfV/NSA und unerlaubter Weitergabe deutscher Daten an den US-Geheimdienst erfahren", klagt der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied im PKGr.

Bundestag muss Computersystem abschalten

Bild: Werner Kunz (Montage)

20. August 2015

Mitte Mai war bekannt geworden, dass Bundestagscomputer Ziel einer Cyberattacke geworden waren. Unbekannte hatten einen Trojaner ins Netzwerk eingeschleust und Daten abgezweigt. Wer hinter dem Angriff steckt, ist noch immer nicht bekannt.
Fast drei Monate hat es gedauert bis die zuständigen Experten vorläufige Analysen des Schadensausmaßes erstellt und Vorbereitungen zu einer Generalüberholung des Computersystems des Bundestages abgeschlossen hatten. Jetzt endlich soll das System abgeschaltet und neu aufgesetzt werden. Dazu sind wohl auch mehrere zentrale Server auszutauschen.
ZEIT ONLINE berichtet: Es soll mehrere Tage überarbeitet werden und am Montag wieder betriebsbereit sein. "Es mussten alle ihre Systeme runterfahren, und jetzt sind wir offline", sagte der Sprecher der Bundestags, Ernst Hebeker. Ziel sei ein "sauberes und sichereres System".
ZEIT ONLINE zitiert dann noch Constanze Kurz, die Sprecherin des Chaos Computer Clubs: "Man muss davon ausgehen, dass der Bundestag für Monate ein offenes Buch für die Angreifer war". Das sei peinlich für das Parlament. Die Bundestagsverwaltung müsse nun dafür sorgen, Sicherheitslücken zu schließen. Zudem müsse man die Parlamentarier gut informieren. "Der Nutzer ist immer ein Risiko."

Schwarzer Peter mit Selektorenliste

13. August 2015

Der NSA-Untersuchungsausschuss und die G10-Kommission des Bundestags wollen die Selektorenliste einsehen, die Einblicke geben würde in die Art der Überwachung durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA und ihren Bundesdeutschen Partner BND, aber die Bundesregierung verweigert seit Monaten deren Offenlegung. Auf dieser Selektorenliste stehen etwa 40.000 vom Geheimdienst NSA übermittelte Suchbegriffe, die der BND als unzulässig aussortiert hatte.
Bislang hat die Bundesregierung erklärt, man könne der Forderung nicht nachkommen, weil dafür die Zustimmung der US-Regierung notwendig sei. Doch Mitarbeiter von US-Präsident Barack Obama widersprechen dieser Aussage nun in der ZEIT.
ZEIT ONLINE:

Das Weiße Haus habe zwar Bedenken geäußert, doch sei der Bundesregierung nicht untersagt worden, den Geheimdienstausschüssen des Bundestags die Liste zur Einsicht vorzulegen. Die letzte Entscheidung über eine Freigabe sei der Bundesregierung überlassen worden. Auch sei es eine "absolute Mär", dass die US-Regierung mit einer Einschränkung der Geheimdienstkooperation gedroht habe, sollte die Liste öffentlich werden.

SPIEGEL ONLINE ergänzt:

Nach dem zwischen Deutschland und den USA im Jahre 2002 vereinbarten "Memorandum of Agreement" spähte der BND für den US-Geheimdienst NSA zwischen 2004 und 2008 auch das deutsche Kabelnetz aus. Und zwar als Teil der Operation "Eikonal" am "Frankfurter Knoten", einem der wichtigsten Internetverbindungspunkte der Welt.
Der ehemalige Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) wusste nach Angaben des früheren Geheimdienstkoordinators und BND-Chefs Ernst Uhrlau vorab von dieser deutsch-amerikanischen Abhöraktion. Steinmeier sei 2003 über die Aktion "inhaltlich unterrichtet" gewesen, sagte Uhrlau der "Zeit".

Das Kanzleramt bestreitet, von der Regierung in Washington freie Hand für die Herausgabe der US-Spionagelisten bekommen zu haben. Es gebe Spielregeln zwischen Geheimdiensten, an die sich die Bundesregierung zu halten habe. Deshalb sei eine Offenlegung der Listen für Parlamentarier nur mit Zustimmung der US-Seite möglich, sagte Peter Altmaier, der für die Geheimdienste zuständige Chef des Kanzleramts.