Drei Jahre Untersuchungsausschuss

24. Februar 2017

Der Geheimdienst-Untersuchungsausschuss ist vorbei. Also die öffentlichen Anhörungen. Jetzt wird noch der Abschlussbericht geschrieben. Das sind diese tausend Seiten, wegen denen man die ganze Arbeit ja eigentlich macht. Die dann aber doch fast niemand liest.
Drei Jahre lang wurde ganz schön viel Aufwand betrieben: 2.400 Aktenordner wurden gelesen, 131 mal tagte das Gremium, davon 66 mal öffentlich mit Sachverständigen und Zeugen…

Eigentlich passiert all das, um die Überwachungs- und Spionageaffäre der Snowden-Enthüllungen aufzuklären. Der Einsetzungsbeschluss des Ausschusses definiert den Untersuchungsauftrag in 31 zu beantwortenden Fragen. Die allererste: Überwachen die Geheimdienste der Five-Eyes-Staaten „Kommunikations- und Datenverarbeitungsvorgänge von, nach und in Deutschland“?
Aber trotz Gründungsanlass (Snowden-Enthüllungen) und Untersuchungsauftrag (Snowden-Enthüllungen) ging es im Ausschuss erstaunlich wenig um… die Snowden-Enthüllungen. Also darum, dass unsere digitale Welt komplettüberwacht wird.
Zwar wurden mit William Binney, Thomas Drake und Brandon Bryant drei Whistleblower aus den USA gehört, dazu ein paar Sachverständige aus NGOs und Zivilgesellschaft aus USA und Großbritannien. Aber der Ausschuss hat es nicht geschafft, auch nur einen einzigen Politiker oder Geheimdienstler der Five Eyes anzuhören. Zwar flog eine Delegation selbst mal in die USA, hat aber schon vorher keine Erwartungen geweckt. Völlig berechtigt, angesichts des kläglichen Ertrags. Noch nicht mal die großspurig angekündigten Chefs der PRISM-Firmen Apple, Facebook, Google und Microsoft haben sich genötigt gefühlt, der Einladung des Ausschusses zu folgen…

Dennoch: Der Ausschuss hat einiges herausgefunden. Zum Beispiel, dass auch der BND oft an die Grenzen des Gesetzes geht – und auch darüber hinaus. Manchmal durch gewagte und geheime Rechts-Konstrukte (Weltraum-Theorie, Funktionsträger-Theorie, Theorie des virtuellen Auslands…), manchmal durch offenen Rechtsbruch. Die Bundesdatenschutzbeauftragte hat 18 schwerwiegende Rechtsverstöße festgestellt – in einer einzigen Außenstelle.
Und das Thema Ausspähen unter Freunden, Merkels berühmter Satz. Der BND hat 14 Millionen Selektoren von der NSA bekommen und ungeprüft seine Massenüberwachung nach diesen Abhör-Zielen durchsucht. Als der BND diese Abhör-Ziele nach Snowden mal überprüft hat, hat er rausgefunden, dass 40.000 davon Freunde betrafen. Die durfte dann Kurt Graulich als V-Mann der Bundesregierung mal angucken. Der Ausschuss durfte diese 40.000 abgehörten Freunde nicht einsehen, das haben Bundesregierung und Große Koalition verhindert. Weil die USA nicht ausdrücklich zugestimmt haben.
Aber auch der BND hat tausende Freunde in Deutschland und Europa abgehört, ganz ohne NSA. Nach einem Beweisbeschluss der – angesichts knapper Ressourcen heldenhaft arbeitenden – Opposition kamen nochmal tausend überwachte Freunde ans Licht. Oder, wie es im Geheimdienst-Sprech heißt: „3.300 Teilnehmer mit rund 15.000 Telekommunikationsmerkmalen“, die „einen EU/NATO-Bezug aufweisen“ und die der BND „gesteuert“ hat in seiner „Erfassung“…

Und die Konsequenz aus den gewonnenen Erkenntnissen ist gleich der nächste Skandal. Es wird nicht etwa die Geheimdienst-Praxis an das Gesetz angepasst, sondern die Gesetze werden an die Geheimdienst-Praxis angepasst. Ein Jahr vor Ende des Ausschusses hat die Große Koalition eine Änderung des BND-Gesetzes beschlossen. Damit wird alles, was der BND macht, legalisiert – und sogar noch ausgeweitet…
(Auszug aus netzpolitik.org CC by-nc-sa)

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