NSA-Timeline:

Rote Karte für Harald Range!

Bild: World2Awakens7/YouTube
tagesthemen/ARD

4. Juni 2015

Unter der Überschrift „Strafanzeige gegen Massenüberwachung der Geheimdienste: Wir lassen nicht locker.“ schreibt der Chaos Computer Club (CCC) unter anderem:
„Zwei Jahre nach Beginn der Snowden-Enthüllungen ist es längst überfällig, dass der Generalbundesanwalt die Erkenntnisse aus den Geheimdienstaffären für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Spionage und Massenüberwachung nutzt, um sich nicht dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt auszusetzen. Wir wenden uns daher mit einem Schriftsatz an den Generalbundesanwalt und erweitern erneut unsere Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen der geheimdienstlichen Vollüberwachung der Bevölkerung.
Beim Generalbundesanwalt Harald Range wurde heute Gegenvorstellung erhoben und erneut beantragt, wegen der geheimdienstlichen Massenüberwachung endlich Ermittlungen aufzunehmen. Strafanzeige hatten wir bereits am 3. Februar 2014 erstattet und in den folgenden Monaten erweitert, insbesondere wegen der dokumentierten Überwachung eines CCC-Tor-Servers. Anstatt aber Ermittlungen einzuleiten, hat der Generalbundesanwalt den Sachverhalt bloß unter „weitere Beobachtung“ gestellt. Bis heute ist kein förmliches Ermittlungsverfahren einge-leitet worden. Daher sehen wir uns gezwungen, erneut tätig zu werden…
Wir fordern den Generalbundesanwalt auf, das Ermittlungsverfahren nun endlich einzuleiten, denn die Beweislage ist zumindest für den Verdacht auf strafbare Handlungen erdrückend.“

Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung


30. Mai 2015

Am 30. Mai demonstrierten die „Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung“ vor dem Bundeskanzleramt in Berlin unter dem Motto: „Frau Merkel: Aussitzen ist Beihilfe!“.
Prominente Gäste und Redner waren Peter Schaar, der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und heutige Vorsitzende der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID), Dr. Burkhard Hirsch, kämpferischer Bürgerrechtler und ehem. Vizepräsident des Deutschen Bundestages und der Rechtsexperte der Grünen Hans-Christian Ströbele, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Deutschen Bundestages und des NSA-Untersuchungsausschusses. Verlesen wurde auch ein persönliches Grußwort von Edward Snowden.
Burkhard Hirsch: „Wir sind… dafür, dass unsere Grundrechte gewahrt werden, dass unser Privatleben privat bleibt, dass unsere Berufsgeheimnisse geschützt bleiben, dass sich unsere Nachrichtendienste nicht zu trojanischen Eseln fremder Interessen machen lassen und parlamentarisch kontrolliert werden.“
Peter Schaar befasste sich ausführlich mit der von der Regierung geplanten Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung: „Wer den Datenschutz aushöhlt, gefährdet damit auch andere Grundrechte. Die Versammlungsfreiheit genauso wie die Meinungsfreiheit!“
Besonders perfide sei die neue Strafvorschrift zur „Datenhehlerei“. Betroffen wären nicht nur Whistleblower. „Auch Journalisten müssten grundsätzlich mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen, wenn sie sich aus derartigen Quellen stammende Informationen weit im Vorfeld einer Veröffentlichung verschaffen oder solche Informationen weitergeben.“

NSA-Spähliste offenlegen!


22. Mai 2015

In der strittigen Frage der Veröffentlichung der NSA-Spähliste, auf deren Basis der BND Informationen auch über deutsche Firmen und Personen an die NSA geliefert haben soll, spricht sich eine Mehrheit von 61 Prozent dafür aus, diese Liste dem Bundestag zugänglich zu machen. 31 Prozent sind dagegen (Rest zu 100 Prozent hier und im Folgenden jeweils “weiß nicht“). Im Detail sind die Anhänger der SPD (67 Prozent), der Grünen (79 Prozent) und der Linken (82 Prozent) mehrheitlich für eine Offenlegung der Liste, aber auch von den Anhängern der CDU/CSU fordern dies 46 Prozent und von den Anhängern der FDP 49 Prozent. Gespalten sind die Deutschen hinsichtlich der Konsequenzen, die eine solche Veröffentlichung auch gegen den Willen der USA mit sich bringen könnte: 46 Prozent rechnen damit, dass US-Geheimdienste Deutschland dann wichtige Informationen vorenthalten werden, 44 Prozent glauben das nicht.

NSA-Selektoren: Chaos ohne Ende!


21. Mai 2015

Die Arbeit der deutschen Geheimdienste wird vom Kanzleramt koordiniert und vom Parlamentarischen Kontrollgremium PKGr des Parlaments kontrolliert. Soweit die Theorie…
In den letzten Wochen und Monaten ist der NSA-Untersuchungsausschuss des Parlaments immer mehr zu einem BND-Untersuchungsausschuss geworden, da sich gezeigt hat, dass wichtige Arbeitsbereiche – insbes. die Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA – weder koordiniert waren noch verantwortlich kontrolliert werden konnten.
Nun zeigt sich, dass das Chaos noch wesentlich größer ist als befürchtet. Nach Informationen des SPIEGEL haben Beamte in der Zentrale des BND in Pullach in den vergangenen Wochen bislang unbekannte Dateien mit amerikanischen Selektoren (Suchbegriffen) „gefunden“. Diese beziehen sich auf die Jahre 2005 bis 2008 und umfassten 459.000 Selektoren, mit denen unter anderem europäische Institutionen, hochrangige politische Persönlichkeiten und Firmen im Ausland ausspioniert werden sollten. Nur 400 dieser Selektoren seien aussortiert worden.
Außer dem NSA-Untersuchungsausschuss hat sich auch der Bundestag in einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE mit den NSA-Selektoren befasst. Hinsichtlich der Freigabe der Selektoren-Liste zur Einsicht für die Parlamentsausschüsse möchten die Koalitionsparteien immer noch auf eine Antwort aus Washington warten, während die Opposition auf unverzüglicher Einsichtnahme besteht.

Cyberangriff auf den Bundestag

Bild: txmx 2

20. Mai 2015

Schon vor fünf Tagen meldete SPIEGEL-ONLINE, dass der Deutsche Bundestag Ziel eines Cyberangriffs geworden sei. Unbekannte hätten versucht, ins interne Datennetz des Parlaments einzudringen.
Nun erweist sich der Angriff als viel schwerwiegender als ursprünglich angenommen, denn es sind nicht „nur“ Rechner von Parlamentariern betroffen, sondern offenbar auch Bundestagsrechner von Regierungsmitgliedern!
Ersten Analysen zufolge waren anfänglich vor allem Fraktionscomputer der Linken und der Grünen Ziel der Attacke. Wie es aus Sicherheitskreisen heißt, seien die Angreifer am Ende jedoch so tief in das Parlamentsnetz vorgedrungen, dass sie sich dort problemlos bewegen konnten.
Die bisherigen Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden deuten auf professionelle Täter hin, sie vermuten einen Geheimdienst hinter den Angriffen. Mehrere Tausend PCs könnten betroffen sein. Der entstandene Schaden ist nach den Worten von Experten bislang nicht absehbar; es könne Monate dauern, bis das interne Bundestagsnetz wieder voll funktionstüchtig sei.

NSA-BND: auch Österreich ausgespäht…

Bild: Screencopy Gunther Zitta

15. Mai 2015

Zu Beginn der NSA-Affäre hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr empört gezeigt: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht!"
Inzwischen ist bekannt, dass Ausspähen gängige Praxis und auch unter Freunden nicht unüblich ist. Die Bundesrepublik ist hierbei nicht (nur) das Opfer, der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) mischt selbst kräftig mit. Er soll den Datenverkehr zwischen Österreich und Luxemburg abgefangen und dem US-Geheimdienst NSA zur Analyse bereitgestellt haben. Dies belegt eine interne E-Mail der Deutschen Telekom AG, die der österreichische Nationalratsabgeordnete Peter Pilz veröffentlicht hat.
Die Strecke Luxemburg-Wien sei vom US-Geheimdienst NSA mit besonderer Priorität bewertet und der Wunsch an den BND weitergegeben worden. Die Abschöpfung soll im Rahmen der Operation Eikonal erfolgt sein. "Die Daten der Telekom Austria wurden am Internetknoten Frankfurt über das BND-Büro in der Deutschen Telekom AG ausgeleitet, dupliziert, nach Pullach in die BND-Zentrale weitergeleitet und von der Technischen Aufklärung (TA) des BND in Bad Aibling der NSA für den automatisierten Zugriff zugänglich gemacht", sagte Pilz.

1,3 Milliarden Metadaten/ Monat

Bild: Screencopy Jan Petersen

12. Mai 2015

Der Bundesnachrichtendienst (BND) filtert mit seinen – und den vom US-Geheimdienst NSA erhaltenen – Zehntausenden Selektoren (Suchbegriffen) gewaltige Datenmengen aus den Kommunikationsströmen. Ein erheblicher Teil dieser Daten sind sog. Metadaten, die angeben, wer wann mit wem wie lange in Kontakt stand. Bei Handykontakten enthalten die Daten auch die jeweiligen Standorte. Das sind im Prinzip Aktivitätsprotokolle, die Entscheidendes über die jeweils Abgehörten verraten.
Vom BND werden dabei aus aller Welt jeden Tag etwa 220 Millionen Metadaten gesammelt und gespeichert. Wie ZEIT ONLINE aufgrund vertraulicher Akten berichtet, reicht der BND einen großen Teil dieser Daten an die NSA weiter – "bis zu 1,3 Milliarden Datensätze pro Monat".
Über die Verwendung dieser Daten durch den US-amerikanischen Partnerdienst scheint es keinerlei Informationen zu geben. Einschlägig bekannt ist zumindest eine Verwendungsart, die der frühere Chef von NSA und CIA, General Michael Hayden, bei einer öffentlichen Debatte nicht ohne Stolz verkündet hatte: "We kill people based on metadata!“ (Wir töten Menschen auf der Basis von Metadaten!).

Spy oder No-Spy, das ist hier die Frage


8. Mai 2015

Dem Recherche-Verbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sind Unterlagen zugespielt worden, die die Regierungspolitik hinsichtlich der NSA-Affäre neu beleuchten. Dazu lohnt ein kurzer Rückblick.
Mitte August 2013 herrschte in Berlin noch immer große Aufregung aufgrund der Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Im September war Bundestagswahl und Kanzlerin Angela Merkel musste sich gegen den Vorwurf erwehren, sie würde die US-Bespitzelung in Deutschland und Europa dulden.
Nach der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 12.08.2013 erklärte Kanzleramtschef Ronald Pofalla auf einer Pressekonferenz: Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland sei „vom Tisch“. Und: "Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten" – einen gegenseitigen Spionage-Verzicht. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ergänzte kurz darauf: "Wir haben die Zusage, dass ein solches Abkommen bald geschlossen werden kann" – möglicherweise noch vor der Bundestagswahl. Nach der Wahl wurden die Gespräche im Januar 2014 dann für gescheitert erklärt.
Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zeigen nun, dass es weder das Angebot eines No-Spy-Abkommens noch überhaupt konkrete Verhandlungen darüber gegeben habe. Dies gehe aus E-Mails hervor, die dem Recherche-Verbund vorliegen.
Wunschdenken oder bewusste Täuschung der Regierung Merkel? Die Dokumente belegen, dass die US-Seite nie vorhatte, mit Deutschland einen gegenseitigen Spionageverzicht zu vereinbaren und sich auf deutschem Boden an deutsche Gesetze zu halten. Sie versicherten nur, sich an amerikanische Gesetze zu halten.

Edward Snowden und der NSA/BND-Skandal

Bild: luarfr

8. Mai 2015

Wie jetzt bekannt wurde, sind im Sommer 2013 beim Bundesnachrichtendienst mehr als doppelt so viele problematische Suchbegriffe der NSA eingegangen als bisher bekannt war. Der Unterabteilungsleiter beim Bundesnachrichtendienst, der die Sonderprüfung der Selektoren der NSA in Auftrag gab, hat eingeräumt, dass es die Ergebnisdatei "nicht mehr gibt". Und der BND hat offenbar über Jahre versäumt, die Datenweitergabe an die NSA zu protokollieren. Was genau an die Amerikaner floss, kann daher womöglich nie mehr rekonstruiert werden.
Die Aussagen von BND-Verantwortlichen vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, dass sie die Behördenspitze und das Kanzleramt nicht über die brisanten NSA-Spionageziele informiert hätten, hält die Opposition für unglaubwürdig, auch die SPD hegt noch Zweifel.
Der SPIEGEL interviewte Edward Snowden zur aktuellen Situation. Snowden sieht seine Vorwürfe gegen die Geheimdienste bestätigt: "Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch. Die Massenüberwachung ist real, es wird Industriespionage betrieben, und die Nachrichtendienste arbeiten außerhalb der Wahrnehmung und der Kontrolle der gewählten Volksvertreter und der Justiz".
Die Zahl der Selektoren, die der BND von der NSA übernommen habe, sei atemberaubend. "Solche Zahlen können nur im Kontext von Massenüberwachung entstehen." In einem System mit funktionierender Aufsicht würden solche Größenordnungen nie zusammenkommen, sagte Snowden.
Er beobachte, dass Länder wie Frankreich, Kanada und Australien „gerade dabei sind, Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und das Recht auf Privatsphäre drastisch einzuschränken.“ Deutschland sollte eine moralische Führungsrolle einnehmen und aufzeigen, dass es richtige und falsche Wege gibt, nationale Interessen zu verfolgen – und Vorschläge machen für die nationale und globale Regulierung der Nachrichtendienste.“

Kontrollverlust im Kanzleramt


30. April 2015

Die Abhöreinrichtung des Bundesnachrichtendienstes (BND) im bayerischen Bad Aibling wurde nach Feststellung von Regierungsexperten jahrelang für Spionage gegen europäische Staaten missbraucht. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR zählen zu den Betroffenen hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums, des Élysée-Palastes und der EU-Kommission.
Als die USA die Abhöranlagen in Bad Aibling an die Deutschen übergaben, wurde 2002 in einem „Memorandum of Agreement“ vereinbart, die abgefangenen Daten gemeinsam zu nutzen. Verantwortlich für diese Vereinbarung war der damalige Kanzleramtschef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Hierzu lieferte der US-Geheimdienst NSA dem BND laufend aktuelle Selektoren (Suchbegriffe). Die dabei übermittelten Selektoren scheinen die Namen, Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen dieser Diplomaten enthalten zu haben. Alle von den USA seit Beginn der Kooperation angelieferten Suchbegriffe werden nun noch einmal überprüft. Ihre Zahl ist riesig: Von 2002 bis 2013 waren es 690 000 Telefonnummern und 7,8 Millionen IP-Suchbegriffe. In einer sogenannten Ablehnungsdatei landeten 40 000 Selektoren.
Der damalige Chef des Kanzleramts und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurde im Februar 2008 darüber informiert, "dass die US-Seite versucht, die Erfassung auf Bereiche auszudehnen, die nicht im gemeinsamen Interesse liegen".
Ende Oktober 2009 wurde Ronald Pofalla Kanzleramtschef. Dort liefen spätestens im Jahr 2010 BND-Meldungen ein, wonach die USA versucht hatten, die Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter auszuspähen.
Nachdem Pofalla gegen Ende 2013 bekanntlich mehrfach die NSA-Affäre für beendet erklärt hatte, wurde er von Peter Altmaier abgelöst.
Dennoch hat das jetzt von Thomas de Maizière geleitete Innenressort noch am 14. April auf eine Anfrage der Fraktion der Linken mitgeteilt: "Es liegen weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten vor".
Die Oberaufsicht über dieses schwer nachvollziehbare Chaos liegt naturgemäß bei der Kanzlerin Angela Merkel, die bisher kaum zur Aufklärung beigetragen hat.
Grüne, Linke und auch die SPD im Untersuchungsausschuss wollen jetzt Druck machen: „Das Kanzleramt muss die Selektoren-Liste unverzüglich dem Ausschuss vorlegen“.

Wie der BND die G-10-Kommission benutzte…


23. April 2015

Die Datenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) muss von der sogenannten G-10-Kommission des Bundestags genehmigt werden. Mehrere Mitglieder des Gremiums fühlen sich inzwischen aber hintergangen.
Strittig ist zum einen die Frage nach dem Gültigkeitsbereich des Grundgesetzes. Wie alle anderen Länder hält auch Deutschland nur die Kommunikation seiner eigenen Staatsbürger (und all jener, die in Deutschland leben) für schützenswert, ohne Genehmigung der Kommission darf hier nichts überwacht werden. Alle anderen aber sind vogelfrei. Im NSA-Untersuchungsausschuss sagte ein Zeuge des BND, solche Telekommunikations-Verkehre seien "zum Abschuss freigegeben."
Juristen wie der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, argumentierten bereits vor Monaten, diese Praxis sei rechtswidrig. Der Schutz des Grundgesetzes müsse auch für Ausländer gelten, sonst sei der BND ja nicht anders als die NSA.
Zum anderen geht es um die enge Kooperation mit dem US-Partnerdienst NSA. Die G-10-Kommission hatte den Zugriff auf die Kabel genehmigt, aber offenbar nie etwas von der heiklen Kooperation mit der NSA erfahren. Die Kommission glaubte zudem, dass es nur darum ginge, in den riesigen Datenbeständen nach deutschen Verdächtigen zu suchen. Nun aber vermuten Kommissionsmitglieder, dass die Bundesregierung die Zustimmung missbrauchte, um die durch Deutschland verlaufende Transit-Kommunikation von Ausländern abzugreifen.

Wie die NSA den BND benutzte…

Bild: Andreas

23. April 2015

Jahrelang hat der BND beim Durchsuchen seiner eigenen Daten aus der elektronischen Überwachung von Telefon- und Internetverkehr auf Wunsch des amerikanischen Geheimdienstes NSA auch deren Selektoren (Suchbegriffe) einbezogen und die so gefundenen Überwachungsdaten an die US-Partner weitergeleitet.
Kontrolliert, was die Amerikaner da im deutschen Datenfundus suchten, wurde allerdings kaum. Bis heute hatte der BND behauptet, man schaue sich die Suchbegriffe der Amerikaner genau an, schließlich gebe man sie ja im zentralen Horch-Zentrum im bayerischen Bad Aibling selbst ein. Bei Tausenden solcher Selektoren aus den USA klingt das reichlich unwahrscheinlich.
Das wahre Ausmaß des Skandals wurde nun erst aufgrund eines Beweisantrags bekannt, den Linke und Grüne für den NSA-Untersuchungsausschuss gestellt hatten. Die für den Ausschuss zuständige Projektgruppe des BND prüfte die NSA-Selektoren daraufhin erneut – mit dem Ergebnis, dass bis zu 40.000 davon gegen westeuropäische und deutsche Interessen gerichtet sind. Erst im März wurde das Bundeskanzleramt darüber unterrichtet. Weitere Überprüfungen wurden inzwischen angeordnet.
Der NSA-Ausschuss will sich nun intensiv um Aufklärung bemühen. Verständlicherweise forderten die Abgeordneten vom Kanzleramt umgehend die Herausgabe der von den USA übermittelten Selektoren. Nur an ihnen kann man ablesen, welche Ziele der US-Dienst mit den BND-Daten wirklich verfolgte.

Verteidigungsminister und BND wussten Bescheid!


21. April 2015

Enthüllungen des SPIEGEL haben belegt, dass die US-Militärbasis Ramstein eine zentrale Rolle im weltweiten Drohnenkrieg spielt. Die Bundesregierung ignoriert weiter alle Vorwürfe und beteuert, von nichts gewusst zu haben. Geheime Dokumente beweisen jedoch, dass das Verteidigungsministerium und der BND über die Vorgänge informiert gewesen sein mussten.
Im Herbst 2011, also in der Amtszeit von Thomas de Maizière, teilte das US-Heeresamt dem Verteidigungsministerium schriftlich mit, dass es in Kürze eine "UAS SATCOM"-Anlage für rund sechs Millionen Euro in Ramstein zu errichten gedenke. Mit seiner Hilfe werde "ein einzigartiges Kontrollzentrum für den Einsatz der (US-Drohnen) Predator, Reaper und Global Hawk" geschaffen. In weiteren Vermerken präzisierten die USA wenig später ihr Vorhaben: Geplant seien auch Räume für "Betriebs-,Verwaltungs- und Instandhaltungsfunktionen" und ein Raum für "Mission Control Vans".
Bisher stritt auch der BND selbst gegenüber dem Generalbundesanwalt jegliche Kenntnis über die Rolle Ramsteins ab. Nach SPIEGEL-Informationen führten BND-Leute schon in den Jahren 2012 und 2013 auf Leitungsebene Gespräche mit Africom, der federführenden Stelle für die völkerrechtlich besonders umstrittenen Drohneneinsätze über Somalia oder dem Jemen. Zeitweilig erwog die Regierung sogar, BND-Mitarbeiter an den Kampfkommandos der USA, zu denen Africom zählt, teilnehmen zu lassen. Die "Teilnahme des BND an US Combat Commands (stehe) im Raume", heißt es in einem Vermerk aus dem Jahr 2013.

Das Kanzleramt wusste Bescheid!


17. April 2015

In streng geheimen US-Dokumenten, die dem SPIEGEL und dem Internetportal "The Intercept" vorliegen, ist detailliert dargestellt, wie Obamas "Krieg gegen den Terror" organisiert wird. Es geht um gezielte Tötungen durch den Einsatz von (unbemannten) Drohnen in Somalia, Afghanistan, Pakistan, im Irak und im Jemen.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die US Air Base Ramstein nahe Kaiserslautern – die größte amerikanische Luftwaffenbasis außerhalb der USA. Dort befindet sich auch das Hauptquartier der United States Air Forces in Europe (USAFE).

  • Die Steuerzentrale für die Drohneneinsätze ist die Luftwaffenbasis Creech in Nevada, USA – dort sitzen die Piloten, die die Maschinen fliegen.
  • Glasfaserkabel verbinden die Zentrale in Creech mit dem Hauptquartier USAFE in Ramstein, Deutschland.
  • Ramstein dient als Relaisstation für die Satellitenverbindung zu den Drohnen im jeweiligen Einsatzgebiet. Dadurch können diese in Echtzeit von Nevada aus gesteuert werden. Ohne Ramstein wäre dies so nicht möglich!

Schon vor einem Jahr hatten NDR, WDR und die "Süddeutsche Zeitung" gemeldet, dass der US-Stützpunkt Ramstein als Relaisstation genutzt werde, um Steuerungsbefehle an die weltweit operierende Drohnenflotte zu übermitteln.
Hierzu hatte es unzählige parlamentarische Anfragen gegeben, die von der Bundesregierung stereotyp ausweichend beantwortet wurden:
„US-Präsident Barack Obama hat klargestellt, dass Deutschland nicht Ausgangspunkt für den Einsatz von Drohnen sei." Und "Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse … vor."
Vertrauliche Vermerke der Bundesregierung zeigen nun, dass Berlin seit Jahren über detaillierte Informationen zu Ramstein verfügt und sich der rechtlich brisanten Lage bewusst gewesen ist. Und sie beweisen, dass das Bundeskanzleramt und das Bundesverteidigungsministerium sich im Juni 2013 entschieden hatten, den Druck von Öffentlichkeit und Parlament "auszusitzen".

Verfassungsschutz baut Überwachung aus


15. April 2015

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) baut seine Kapazitäten und Fähigkeiten zur Überwachung des Internets aus. Wie aus als "VS-Vertraulich" eingestuften Dokumenten hervorgeht, die netzpolitik.org veröffentlicht hat, richtet die Behörde dafür derzeit eine neue Referatsgruppe mit 75 Mitarbeitern ein. Die sollen zum Beispiel Facebook-Chats von Verdächtigen überwachen, Bewegungsprofile und Beziehungsnetzwerke anhand von Metadaten erstellen sowie "konspirative informationstechnische Überwachungsmaßnahmen von Online-Diensten" durchführen.
Nach netzpolitik.org dient die neue Einheit der Entwicklung eines Systems der automatisierten Massendatenauswertung, obgleich das BfV nur Einzelpersonen überwachen darf. Die Auswertung soll unter den Voraussetzungen der Verschlusssachenanweisung auswerten, um "bislang unbekannte und nicht offen erkennbare Zusammenhänge zwischen einschlägigen Personen und Gruppierungen im Internet festzustellen". Dabei scheint es um die TKÜ-Anlage Perseus zu gehen, die mit 3,5 Millionen im laufenden Haushaltsjahr "regelmäßig modernisiert wird, mit der Telefonie und Internetkommunikation (Email, Chatprotokolle, Websessions und Dateitransfere) ausgewertet werden.
Hans-Christian Ströbele von den Grünen, Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss, kritisiert die "anlasslose und massenhafte Datenauswertung", die das BfV "insgeheim" begonnen habe und die mit jener der NSA vergleichbar sei, scharf. Er bezweifelt, dass die vorgesehene parlamentarische Kontrolle noch greifen könne: "Derart weitreichende nachträgliche Auswertungen überwachter Telekommunikation, wie sie das BfV offenbar praktiziert, können schwerlich durch vorherige Genehmigungen der G10-Kommission gedeckt sein."

UN: Grundrecht auf Datenschutz gestärkt

Bild: UN Geneva

27. März 2015

Die Vereinten Nationen bekommen erstmals in ihrer Geschichte einen Sonderberichterstatter, der das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Datenschutz vertritt. Zunächst für drei Jahre soll der neue Berichterstatter gemäß der von Brasilien und Deutschland initiierten Entschließung Verstöße der Mitgliedsstaaten gegen die im Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Artikel 17 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte verankerte Datenschutzrechte aufdecken. Dabei soll auch die Überwachungspolitik der Mitgliedsländer beobachtet werden.
Außenminister Walter Steinmeier bemerkte dazu in Berlin: „Mit der unaufhaltsamen Digitalisierung unserer Lebenswelt stehen wir beim Schutz der Privatsphäre vor neuen Fragen, die spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden auch in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden. Ein effektiver Schutz der Privatsphäre lässt sich nur gemeinsam und global erreichen.
Bürgerrechtsorganisationen weltweit haben die Nachricht positiv aufgenommen und wollen den Berichterstatter unterstützen.

BND-Aufsicht: mangelhaft!


26. März 2015

Klaus Landefeld, Aufsichtsrat beim Frankfurter Netzknoten DE-CIX – dem Internet-Knoten mit dem weltweit größten Datendurchsatz – berichtete im NSA-Untersuchungsausschuss vom Fortbestehen der Abhörpraxis des BND seit 2009. Trotz schwerer Bedenken habe der DE-CIX diese Praxis hinnehmen müssen.
Zudem soll das Bundeskanzleramt mehrmals interveniert haben und sowohl die G10-Kommission, als auch die Bundesnetzagentur davon abgehalten haben, das Abhören zu untersuchen.
Weiterhin führte Landefeld aus, dass der BND sich nicht nur für außerdeutsche Leitungen interessiere, wie etwa in den arabischen Raum, sondern auch für innerdeutsche Leitungen, auf denen über 90 Prozent des Verkehrs grundrechtsgeschützt sei. Es ließe sich „absolut nicht trennscharf“ entscheiden, was im Netz „deutsch ist oder nicht“.
Der Zeuge forderte von der Politik, eindeutige Vorschriften zu erlassen, was gesetzlich zulässig sei, und insbesondere Grenzen zu setzen für die erlaubte Speicherdauer.
Die erste Anforderung des BND ging 2009 an den DE-CIX, führte Landefeld aus. Da die Wünsche sehr weit gegangen seien, hätten die Zuständigen versucht, Kontakt mit der G10-Kommission des Bundestags aufzunehmen, die einschlägige Anträge genehmigen muss. Bis auf ein Mitglied habe sich aber kein Abgeordneter zu einem Gespräch bereit erklärt. Im Anschluss habe das Bundeskanzleramt klargestellt, dass der DE-CIX vor Erhalt einer Anordnung schweigen müsse und auch danach Geheimhaltungsvorschriften unterliege.

Drohte die US-Regierung Deutschland?

Bild: The White House (public domain)

23. März 2015

Im Anschluss an die Verleihung des „Siebenpfeiffer-Preises 2015“ an Glenn Greenwald vor einer Woche hatte dieser Vizekanzler Sigmar Gabriel gefragt, warum die Bundesregierung Snowden kein Asyl gewähren wolle. Der SPD-Chef habe ihm daraufhin gesagt, die US-Regierung habe "aggressiv gedroht", in diesem Falle würde Deutschland von jeglichem Austausch geheimdienstlicher Erkenntnisse "abgeschnitten".
Eine solche massive Drohung war bisher nur von Seiten des britischen Geheimdienstes GCHQ bekannt, als dieser verhindern wollte, dass interne Unterlagen dem Untersuchungsausschuss zugänglich gemacht werden.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz meint hierzu: „Der Eindruck läge nahe, man habe als Bundesregierung im nunmehr zwei Jahre andauernden Skandal eine Aussage des Schlüsselzeugen Snowden vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages allein aus Rücksicht und Angst vor der Drohung von US-Seite verhindert.“
Noch ist nicht klar, ob es diese Drohung tatsächlich gab, oder ob damit vielleicht nur von eigenen Versäumnissen abgelenkt werden sollte? Ein hoher Beamter der US-Regierung erklärte nämlich gegenüber der WELT: "Deutschland ist einer unserer engsten Partner. Die Vorstellung, wir würden drohen, den Austausch von Informationen einzuschränken, ist haltlos…

Glenn Greenwald mit Siebenpfeiffer-Preis geehrt

Bild: Screencopy SR Mediathek

15. März 2015

Der US-Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald ist wieder zu Besuch in Deutschland. Am 13. März gab er der Saarbrücker Zeitung ein Interview, in dem er US-Präsident Barack Obama scharf kritisierte:
"Das Überwachungssystem wurde sehr stark ausgeweitet, seitdem er Präsident ist – und zwar viel stärker als unter Präsident (George W.) Bush". Obama habe die Möglichkeit, die Abhörprogramme des US-Geheimdienstes NSA zu stoppen, tue es aber nicht. "Das zeigt, wie er wirklich tickt." Als "größte Bedrohung für die Privatsphäre der europäischen Bürger" bezeichnete der Snowden-Vertraute jedoch die britischen Behörden. Deren Geheimdienst GCHQ gehe "noch schärfer vor als die NSA".
Am 15. März wurde Glenn Greenwald dann im saarländischen Homburg mit dem "Siebenpfeiffer-Preis 2015" für "Verdienste um Pressefreiheit und demokratische Transparenz" ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis erinnert an Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845). Dieser war einer der Initiatoren des Hambacher Festes, bei dem 1832 Menschen in der Pfalz für Freiheit und Demokratie demonstrierten.
In seiner Laudatio wollte Vizekanzler Sigmar Gabriel zwar nicht alle Positionen Glenn Greenwalds teilen, fand aber immerhin harte Worte für die Politik der USA. Die NSA-Überwachung sei mehr als ein Gesetzesverstoß, sie lege Hand an die "westliche Wertegemeinschaft", in der individuelle Freiheit und der Schutz der Persönlichkeit vorgehen.

SAP kuschelt mit US-Geheimdiensten


10. März 2015

US-Geheimdienste wie die NSA nutzen für die massenhafte Überwachung von Menschen und deren Daten Technologien des deutschen IT-Konzerns SAP. Das haben Recherchen des ARD-Magazins FAKT ergeben. Mit Hilfe der SAP-Datenbank-Software Hana ist die schnelle Verarbeitung von großen Datenmengen möglich.
Verarbeitet werden insbesondere die sogenannten Metadaten aus der Massenüberwachung von Telefongesprächen, WhatsApp- und SMS-Chats sowie von E-Mails und Facebook. Mit diesen Informationen können Geheimdienste Personen finden, Reiserouten nachvollziehen und am Ende sogar Verdächtige umbringen – zum Beispiel durch Drohnenangriffe. "Wir töten Menschen auf der Basis von Metadaten", sagte der frühere NSA- und CIA-Chef Michael Hayden vergangenes Jahr. Auf einer Tagung der amerikanischen SAP-Tochterfirma bedankte er sich schon einmal für die Mithilfe an diesen Hinrichtungen aus der Luft: "Sehr viel, was wir anhand der Datenbanken machen, ist die Zielauswahl. Dank Gott, dass sie uns dazu in die Lage versetzen."
Die Opposition im Bundestag fordert nun eine stärkere Kontrolle beim Export solcher Software: "Diese Programme können gefährlicher sein als Schlagstöcke oder Waffen. Darum brauchen wir internationale Abkommen", sagt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Zudem sei es "hochbedenklich", wenn die SAP-Software wie geplant auch beim deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) zum Einsatz komme. Denn diese stehe offenkundig unter der Kontrolle und dem Zugang von anderen Geheimdiensten.