"Snowden ist ein Russen-Agent"

Hochrangiger russischer Geheimdienst-Kontrolleur gesteht: Snowden ist ein Russen-Agent
Bild: BILD.de

2. Juli 2016

BILD titelte schon am 09. Juni 2016
BND-Chef Gerhard Schindler bei BILDTownhall: »Snowden ist ein Verräter
Im Interview führte der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) dann weiter aus:

Und was ich noch eher skeptisch beurteile ist, dass er [Snowden] sich in die Hand der Russen begeben hat und damit das Spiel der Russen und die hybride Kriegsführung mit unterstützt. Er ist zum Spielball des FSB (Anm. d. R.: russischer Inlandgeheimdienst) geworden und das ist alles andere als gut.

Einen Tag später hatte dann Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen vor dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss mit Nachdruck – und wie sich hinterher herausstellte: mit großer innerer Freude und Genugtuung – die These vertreten, dass Edward Snowden ein russischer Agent sei. Einen Beweis konnte er nicht vorlegen, "aber es hätte hohe Plausibilität" für einen erfahrenen Geheimdienstler wie ihn!
Diese Steilvorlage wollte sich die BILD-Zeitung – unter Chefredakteur Julian Reichelt – nicht entgehen lassen. Ein kurzes Radiointerview der US-Journalistin Mary Louise Kelly tat seine Dienste.
BILD schreibt:

In einem bemerkenswerten Interview von dieser Woche erklärte Franz Klintsevich – ein hochrangiger russischer Sicherheitsbeamter – ganz nüchtern: „Seien wir ehrlich. Snowden hat Geheiminformationen weitergegeben. Dafür sind Sicherheitsdienste ja da. Wenn es eine Möglichkeit gibt, an Informationen zu gelangen, dann werden sie es auch tun.“

und titelte dann:
Hochrangiger russischer Geheimdienst-Kontrolleur gesteht: Snowden ist ein Russen-Agent

Die Argumentation der BILD-Story in Auszügen:

Whistleblower Edward Snowden arbeitet offenbar schon länger für den russischen Geheimdienst…
Jetzt gibt es endlich Fakten!
Für jeden, der sich mit der Welt der Spionage auskennt – vor allem im Zusammenhang mit den Russen – steht fest, dass Snowden ein Überläufer ist und dass er mit Moskaus Sicherheitsdiensten zusammenarbeitet…
Ein westlicher Geheimdienstmitarbeiter, dem in Russland Zuflucht gewährt wird, wird seinen Gastgebern alles mitteilen, was er weiß – da gibt es nichts zu diskutieren…
Nun hat der Kreml die Frage ein für allemal geklärt, indem er verlautbaren ließ, Edward Snowden arbeite in der Tat für ihn…

Bild.de | Bild.de | BILDblog | Update: ARD fakt

Massenüberwachung funktioniert nicht

Bild: Screencopy Edward Snowden/Twitter

26. Juni 2016

Edward Snowden ist noch immer abhängig von seinem russischen Exil in Moskau. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, seinen weit mehr als 2 Millionen Followern auf Twitter mitzuteilen, dass er die anstehende Verschärfung von Massenüberwachungsmaßnahmen in Russland strikt ablehnt.
Er appellierte indirekt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, das in der Duma verabschiedete Paket von umstrittenen "Anti-Terror-Gesetzen" nicht in Kraft zu setzen:

Russlands neue "Big-Brother"-Verordnung ist eine nicht umsetzbare, ungerechtfertigte Verletzung von Rechten und sollte nie unterzeichnet werden.

Und eine Stunde später ergänzte Snowden:

Massenüberwachung funktioniert nicht. Dieses Gesetz kostet jeden Russen Geld und Freiheit ohne die Sicherheit zu verbessern. Es sollte nicht unterzeichnet werden.

Snowdens Kritik wurde sogar über den russischen Auslandsfernsehsender RT (ehemals Russia Today) verbreitet.

heise online | heise online | RT News

BSI-Vize Könen widerspricht BfV-Chef Maaßen

BSI-Vizepräsident Andreas Könen
Bild: ZDF.de

23. Juni 2016

In der 104. Sitzung des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses des Bundestags trat u.a. Andreas Könen, Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf.

Bezüglich der Echtheit der Snowden-Dokumente hat BSI-Vize Könen eine andere Einschätzung als Verfassungsschutz-Präsident Maaßen, der in der letzten Sitzung des Ausschusses spekulierte, Snowden könne ein russischer Agent und die von ihm weitergegebenen Dokumente gefälscht sein.
Nach Könen gebe es grundlegend keinen Zweifel an der Authentizität der Snowden-Dokumente. Die in ihnen beschriebenen Angriffe seien so durchführbar, was das BSI auch einige Male durch Nachprüfungen getestet habe. Jedes einzelne Dokument auf seine Echtheit zu prüfen sei schwer durchführbar, dies sei jedoch für das BSI nicht der entscheidende Punkt, da die in den Dokumenten dargestellten Systeme an sich realistisch seien. Die vor diesen Enthüllungen vom BSI als teuer und unpraktikabel abgetanen Angriffe wurden nach 2013 anders eingeschätzt. Die Bedrohungslage habe sich verändert, weshalb die gewählten Schutzmaßnahmen neu bewertet wurden.
Auch bei der Frage, ob Handynummern dazu genutzt werden können, um Personen genau zu orten, widersprach Könen Maaßen und anderen Vertretern des BfV. Die Ortung einer Person anhand einer Handynummer sei auf wenige Meter genau möglich. Dies ist vor allem in Bezug auf Drohnenanschläge, basierend auf auch von deutschen Behörden weitergegebenen Handynummern, relevant. (Auszug aus netzpolitik.org CC by-nc-sa)

netzpolitik.org | netzpolitik.org | Deutscher Bundestag | Golem.de

Ist Snowden ein russischer Spion?

Hans-Georg Maaßen nach dem NSAUA: "Mir hat's richtig Spass gemacht, kann ich nur sagen!" (Montage)
Bild: Screencopy ARD
Fakt

10. Juni 2016

Der Tagesspiegel titelt:

Maaßen und die Verschwörung
Ist Edward Snowden ein russischer Agent? Viele haben diese Vermutung schon geäußert. Dass aber jetzt Verfassungsschutz-Chef Maaßen damit kokettiert, ist beachtlich.

ZEIT ONLINE titelt:

Maaßen beklagt sich über NSA-Untersuchungsausschuss
Der Bundestagsausschuss behindere die Arbeit seiner Behörde, sagt der Verfassungsschutz-Chef. Zudem zweifelt Maaßen an der Rolle Edward Snowdens.

und

Ist Maaßen ein russischer Agent?
Nein, ist er natürlich nicht, aber die Frage kann man ja mal stellen, oder? Immerhin nutzt der Verfassungsschutzchef ähnliche Argumente, um Snowden zu diskreditieren.

Hans-Georg Maaßen glaubt, Edward Snowden sei ein russischer Spion. Nicht, dass er Beweise für seine Behauptung hätte. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz findet nur – aufgrund seiner Erfahrung als Geheimdienstler, wie er sagte –, dass es plausibel sei…

Es gibt kein Indiz für diese Theorie. Sie ist nach allem, was bisher bekannt wurde, abenteuerlich. Selbst hohe amerikanische Geheimdienstler gehen nicht so weit.

Edward Snowden veranlasste das zu dem auf Deutsch verfassten Tweet:

(SVR ist der Auslandsnachrichtendienst, FSB der Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation)

Snowden nutzte dabei die gleiche Satzkonstruktion wie Maaßen und zeigte damit, wie hinterhältig sie ist. Der Fakt wird bestritten, gleichzeitig aber wird das Gerücht gestreut. Das ist nicht nur dünn, es ist Rufmord. Warum sagt Maaßen so etwas?
Weil der Chef des Verfassungsschutzes Teil eines ganzen Kreises von Verantwortlichen in Deutschland ist, die alles dafür tun, um von eben dieser ihrer eigenen Verantwortung in der Spionageaffäre abzulenken.
Wenn er [Maaßen] zugeben würde, dass die Indizien stimmen, die Edward Snowden vorgelegt hat, dann müsste er auch zugeben, dass die Bundesregierung und die deutschen Geheimdienste mitschuldig sind an all der Überwachung, dem Foltern und Töten weltweit. Das wollen sie nicht sein. Lieber schüren sie Zweifel an dem Menschen, der nur eines wollte: eine menschenfreundlichere Welt.

ZEIT ONLINE | ZEIT ONLINE | Deutscher Bundestag | SPIEGEL ONLINE | netzpolitik.org | SPIEGEL ONLINE | Süddeutsche.de | netzpolitik.org

Die NSA war vorschriftsmäßig informiert!

Edward Snowden Interview

7. Juni 2016

Edward Snowden hat immer betont, dass er seine Bedenken mehrmals erfolglos den intern zuständigen Stellen – auch schriftlich – vorgetragen habe, bevor er sich schließlich gezwungen sah, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die zuständigen Stellen der NSA durchsuchten dann wochenlang Snowdens gespeicherte Emails nach entsprechenden Hinweisen – ohne Erfolg…
Das stützte die These, dass Snowden ein Verräter sei. Auch Präsident Barack Obama formulierte (am 9. Aug. 2013): “No, I don’t think Mr. Snowden is a patriot” (Nein, ich glaube nicht, dass Herr Snowden ein Patriot ist).
Neue Dokumente zeigen aber, dass die NSA über Snowdens Bedenken informiert war. Das hat aber niemanden interessiert!

In den USA gibt es den Freedom of Information Act (FOIA), der jedem das Recht gibt, Zugang zu Dokumenten von staatlichen Behörden zu verlangen. Vice News konnte nun durch eine FOIA-Klage die Veröffentlichung bisher nicht bekannter Dokumente erzwingen.
WIRED Germany berichtet dazu:

In den Unterlagen befinden sich Protokolle bisher unbekannter Kontakte zwischen Snowden und dem Oversight-and-Compliance-Büro der NSA. Sogar ein Treffen soll es gegeben haben. Der genaue Inhalt von Snowdens Kritik bleibt unklar, er scheint aber zumindest rechtliche Bedenken an der massenhaften Datensammlung des Geheimdienstes zum Ausdruck gebracht zu haben.
Die neuen Dokumente zeigen auch, dass die NSA diese Kontakte nach den Leaks im Jahr 2013 systematisch verneint hat. „Unsere Ergebnisse lauten, dass wir keine Anzeichen in den Interviews, E-Mails oder Chats gefunden haben, die seine Aussagen stützen“, schreibt ein NSA-Beamter in einer E-Mail.

VICE News | WIRED | Salon.com

Zum 3. Jahrestag der Snowden-Enthüllungen

Aufkleber Asyl für Edward Snowden

5. Juni 2016

Zum dritten Jahrestag der Snowden-Enthüllungen schreibt Carolin Emcke in ihrer Kolumne in der Süddeutschen Zeitung über das ethische Dilemma: Pflicht

Ziviler Ungehorsam kann auf eine notwendige und wünschenswerte Veränderung oder auf die notwendige und wünschenswerte Erhaltung des Status quo ausgerichtet sein“, schrieb die Philosophin Hannah Arendt 1970 in ihrem Aufsatz „Ziviler Ungehorsam“, „auf die Erhaltung verfassungsmäßiger Rechte oder auf die Wiederherstellung des richtigen Machtgleichgewichts innerhalb des Regierungssystems.“ In der einen oder anderen Deutung passt diese Beschreibung sehr gut auf die Handlungen von Edward Snowden. Als der ehemalige Mitarbeiter der NSA im Jahr 2013 sein geheimes Wissen über die weltweiten Abhörpraktiken der amerikanischen und britischen Geheimdienste enthüllte, motivierte ihn nach eigener Auskunft ebendies: der notwendige Wunsch nach Veränderung und die notwendige Erhaltung verfassungsmäßiger Rechte. Was Snowden durch seinen aufklärerischen Akt kritisierte, waren die illegalen Auswüchse eines unkontrollierten Sicherheitsapparats, der die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die zu schützen er den Auftrag hat, missachtete. Es ging ihm insofern um beides: um den Erhalt der subjektiven Rechte des Einzelnen wie um die parlamentarische Wiederherstellung des Machtgleichgewichts innerhalb eines Regierungssystem – hier zwischen Regierung und den Geheimdiensten – das ganz offensichtlich aus den Fugen geraten war.

Passend zum dritten Jahrestag bleibt nur noch ein: Danke, Edward, für den Mut und die Zivilcourage! (Aus netzpolitik.org CC by-nc-sa)

netzpolitik.org | Süddeutsche.de

Whistleblower hatten keine Chance

Der Whistleblower John Crane bei Democracy Now!
Bild: Screencopy aus Democracy Now!

23. Mai 2016

John Crane arbeitete 25 Jahre im Büro des Generalinspekteurs beim US-Verteidigungsministerium, zuletzt als "Assistant Inspector General". Dort war er zuständig für die eingehenden internen Fragen und Beschwerden. Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums konnten sich vertrauensvoll – auch anonym – an seine Dienststelle wenden, wenn sie den Eindruck hatten, dass an ihrem Arbeitsplatz etwas nicht rund läuft.
DER SPIEGEL und der britische Guardian haben Crane in Washington getroffen und interviewt:

Heute sagt Crane, dass das System, das er maßgeblich mit aufgebaut hatte, nicht funktionierte, wie es sollte. Dass es in manchen Fällen sogar pervertiert wurde – und nicht mehr diejenigen schützte, die als Whistleblower auf Missstände hinwiesen. Sondern eher diejenigen, die sie zu verantworten hatten.
Der Fall, der für John Crane das Fass zum Überlaufen brachte, war der des NSA-Whistleblowers Thomas Drake. Drake, der in leitender Funktion bei einem der NSA-Überwachungsprogramme arbeitete, und 2002 seine Bedenken über ein geplantes neues Überwachungsprogramm auf dem offiziellen Weg vorgetragen hatte. Drake übergab den Ermittlern des zuständigen Generalinspekteurs interne Dokumente, bat jedoch um Anonymität, weil er um seine Zukunft fürchtete – doch sein Name landete im US-Justizministerium, im Herbst 2007 wurde sein Haus durchsucht. Bewaffnete FBI-Beamte nahmen ihn fest. Drake wurde nach dem Spionagegesetz von 1917 angeklagt und mit 35 Jahren Haft bedroht…
"Snowden hat den Fall Drake gesehen", sagt John Crane. "Es war der Umgang mit Drake, der ihn dazu brachte, nicht innerhalb des Systems zu bleiben." Er finde es "traurig, dass jemand ins Exil gehen muss, weil er das Gefühl hat, die verschiedenen Kanäle, die ihm zur Verfügung stehen, nicht nutzen zu können…

SPIEGEL ONLINE | Democracy Now! | The Guardian

Über die Bedeutung von Privatsphäre

Edward Snowden, Noam Chomsky, Glenn Greenwald
Bild: University of Arizona

31. März 2016

Der Whistleblower Edward Snowden gibt mittlerweile häufig Interviews und wird bei vielen Events per Video zugeschaltet. Mit dem Journalisten Glenn Greenwald und dem Wissenschaftler Noam Chomsky verhält es sich ähnlich. Das „College of Social and Behavioral Sciences“ an der Universität Arizona hat die drei Kritiker von staatlicher Überwachung für „A Conversation on Privacy“ – einem Gespräch über Privatsphäre – zusammengebracht.

Ein sehenswertes zweistündiges Interview über das Recht auf Privatsphäre, dessen Bedeutung für (Meinungs-)Freiheit, und die Auswirkungen von Überwachung. Besonders geeignet für jene, die immer noch das Argument vorbringen: „Ich brauche keine Privatsphäre, weil ich nichts zu verbergen habe“. Das sei so, als wenn jemand sagen würde „Ich brauche keine Pressefreiheit, weil ich nichts zu sagen habe“, sagt Snowden.

(Aus netzpolitik.org CC by-nc-sa)

The Intercept | netzpolitik.org

Lavabit sollte Postfach von Snowden herausgeben

I would _strongly_ recommend against anyone trusting their private data to a company with physical ties to the United States.

18. März 2016

Einmal mit Profis: Die US-Regierung hat die Akte zum Fall Lavabit geöffnet, aber leider entscheidende Schwärzungen vergessen. Demnach ist nun klar, was zuvor nur spekuliert wurde: Die Behörden forderten vom E-Mail-Anbieter Lavabit Zugriff auf das Postfach von Edward Snowden.

Die auf Cryptome veröffentlichte Dokumentensammlung (pdf, 140 MB) zum Fall Lavabit enthält trotz zahlreicher Schwärzungen den entsprechenden Betreff (WIRED berichtete):

Den Namen Snowdens durfte Lavabit-Gründer Ladar Levison nie öffentlich nennen. Nachdem bekannt wurde, dass Snowden auf seiner Flucht aus Hongkong über eine Lavabit-Adresse kommuniziert hatte, nahmen US-Behörden den auf Datensicherheit bedachten E-Mail-Anbieter ins Visier. Levison wehrte sich nicht unkreativ gegen die Herausgabe von Daten: Er übergab den SSL-Schlüssel dem FBI – ausgedruckt auf elf Seiten. Den wollte kein Beamter abtippen. Nach Strafandrohungen entschied Levison sich im August 2013 zur Abschaltung, forderte jedoch die Herausgabe der Gerichtsakten. Die lieferten die Behörden nun; hätten sie doch bloß die Schwärzungen nicht vom Praktikanten machen lassen! (Übernommen aus netzpolitik.org CC by-nc-sa)

netzpolitik.org | WIRED

USA: Datenschutz soll weiter ausgehebelt werden

Bild: Screencopy Edward Snowden/Twitter

27. Februar 2016

Die New York Times titelt: Nach Informationen gut unterrichteter Kreise steht die Obama-Administration kurz davor, der National Security Agency zu erlauben, einen größeren Teil der abgefangenen privaten Kommunikation an andere amerikanische Nachrichtendienste weiterzugeben, ohne dabei den Schutz der Privatsphäre zu berücksichtigen.
Edward Snowden hebt die Bedeutung dieses Artikels auf Twitter hervor mit den Worten:

Für wie gefährlich Sie das auch immer halten mögen, ich verspreche Ihnen, dass es noch schlimmer ist.

“Snowden Effekt” in Aktion

Bild: Screencopy Edward Snowden/Twitter

29. November 2015

Die umfangreiche Vorratsdatenspeicherung US-amerikanischer Daten bei den US-Geheimdiensten wird mit Ablauf dieses Monats beendet. Dies geschieht aufgrund des sog. „USA Freedom Acts“, der im Juni 2015 vom Kongress beschlossen wurde. Die Umsetzung dieses Beschlusses wurde nun von US-Geheimdienstchef James Clapper bestätigt. Das bedeutet „natürlich“ nicht das Ende der Vorratsdatenspeicherung, diese werden dann aber bei den jeweiligen Telekommunikationsanbietern gespeichert werden. Bei begründetem Terrorverdacht und nach Beschluss des Geheimgerichts FISC (Foreign Intelligence Surveillance Court) darf der Geheimdienst NSA die Informationen aber weiterhin zunächst sechs Monate lang abfragen.

Bei der Speicherung von Daten der Auslandsspionage der NSA ändert sich „natürlich“ nichts!
Heise online resümiert:

In der Praxis dürfte sich durch das neue Verfahren wenig ändern. Ein Sprecher des nationalen US-Sicherheitsrats zeigte sich zuversichtlich, dass der Kompromiss es dem Staat erlaube, trotz der verschiedenen Reformen "das Land weiterhin zu schützen". Gutachter konnten zuvor im Auftrag von US-Präsident Barack Obama keinen Fall ausfindig machen, in dem die NSA-Vorratsdatenspeicherung zu einem durchschlagenden Erfolg bei der Terrorismusbekämpfung geführt hätte.

Suche nach den Schuldigen

Bild: Screencopy CNN/YouTube (Montage)

19. November 2015

Nach den grausamen Anschlägen in Paris gab es weltweit unzählige Solidaritätsbekundungen. Aber wie schon bei allen vorangegangenen Attentaten preschen einige Presseorgane mit eigenen Interpretationen, Schuldzuweisungen und Forderungen voraus.
In Deutschland ist dies oftmals die BILD-Zeitung und da verwundert es nicht, wenn Cicero-Redakteurin Petra Sorge sich Gedanken macht:

Denn damals hatte BILD-Chefredakteur Julian Reichelt aus den USA kommentiert:
US-Geheimdienstler und Militärs „sind sich einig, dass niemand der Verhinderung von Terroranschlägen so sehr geschadet hat wie Edward Snowden mit all dem, was er über technische Überwachung enthüllt hat…
Der Westen befindet sich im Krieg gegen den islamistischen Terrorismus“.
Aber nein, diesmal versteckte sich Herr Reichelt lieber hinter einem Link auf einen Politico-Artikel über CIA-Direktor John Brennan.
Brennan hat eine schlichte, überschaubare Sicht der Dinge:
Die Snowden-Veröffentlichungen

  • haben die Arbeit der Geheimdienste behindert und ausgebremst
  • haben in Europa zu einer völlig falschen Sichtweise der Arbeit der Dienste geführt
  • sind Unterlagen, mit denen die Terroristen „zur Schule gegangen“ sind!
  • haben technische und gesetzliche Hürden aufgebaut, die verhindern, dass die Dienste Zugriff auf nicht verschlüsselte Daten haben.

Aber dann hat Reichelt mutig noch eine Serie von 4 Tweets hinterhergeschickt, in denen er entrüstet konstatiert, dass Edward Snowden zu Paris noch kein Statement abgegeben hat… Bravo!
Schon einen Tag nach den jüngsten Anschlägen von Paris benennt „The Daily Dots“ die Scharfmacher, die versuchen die tragischen Ereignisse zu nutzen, um ihre Verschwörungstheorien zu „belegen“.

Es ist so wie immer: Es wird nicht die Frage gestellt, warum Geheimdienste und Polizei schon wieder versagt haben, warum sie die schrecklichen Ereignisse nicht verhindern konnten. Regierungen und Geheimdienste nutzen die Lage, um noch mehr Ressourcen und erweiterte Befugnisse zu fordern, damit so etwas in Zukunft nicht wieder passieren könne.
Der US-Sicherheitsexperte Christopher Soghoian benennt die tatsächliche (unfreiwillige) Quelle der Verschlüsselungswerkzeuge der Terroristen: Die US-amerikanischen Steuerzahler!

Der weltweit meist zitierte Artikel zur Frage der Schuld an den tragischen Ereignissen stammt aber von Glenn Greenwald, der den Anschuldigungen akribisch nachgeht und zu folgenden Ergebnissen kommt:

  • Terroristen haben Verschlüsselung nicht erst seit Snowdens Enthüllungen (Juni 2013) benutzt sondern sogar schon lange vor dem schrecklichen Anschlag vom 11. September 2001.
  • Auch die Terroranschläge 2002 in Bali, 2004 in Madrid, 2005 in London, 2008 in Mumbai und 2013 beim Boston Marathon konnten von den Geheimdiensten nicht verhindert werden, lagen aber lange vor Snowdens Veröffentlichungen!
  • Wenn Terroristen im Geheimen kommunizieren wollen, dann haben sie schon immer Wege gefunden.
  • Das neuerliche Versagen der Geheimdienste ist der eigentliche Grund für die koordinierte Kampagne gegen Snowden…

Und ungeachtet all dieser Fakten, nutzt der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey die Gelegenheit, seine Statements vom Dezember 2013 jetzt beim Nachrichtensender CNN zu wiederholen:

Ich glaube, dass das Blut vieler dieser jungen Franzosen an Snowdens Händen klebt.
Ich würde gegen ihn die Todesstrafe verhängen, und ich würde es vorziehen zu sehen, wie er gehenkt wird, statt ihn nur durch einen Stromschlag zu töten.

EU-Parlament: Massenüberwachung beenden! Whistleblower schützen!

30. Oktober 2015

Bereits am 12. März 2014 hatte das EU-Parlament den Abschlussbericht zur Aufklärung der NSA-Massenüberwachung mit großer Mehrheit gebilligt und sogar gedroht, das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) platzen zu lassen, wenn die die "pauschale Massenüberwachung" nicht eingestellt würde.
Die Parlamentarier sind mit den bisherigen Entwicklungen unzufrieden, vor allem mit der Untätigkeit der EU-Kommission und dem mangelnden Willen, echte Konsequenzen im Umgang mit den USA zu ziehen.
Der Innenausschuss des EU-Parlaments (LIBE) hat nun einen Entschließungsantrag zur elektronischen Massenüberwachung vorgelegt und droht der Kommission mit Konsequenzen, sollte diese weiterhin keine konkreten Schritte unternehmen. Der Ausschuss kritisiert scharf, dass neue Überwachungsgesetze in Europa geschaffen wurden, die Geheimdiensten eher mehr Kompetenzen als eine bessere Aufsicht geben. Er appelliert an die Mitgliedsstaaten, bessere gesetzliche Grundlagen für wirksame Geheimdienstaufsicht zu implementieren.
Es wird aufgefordert, ein „Überwachungswettrüsten“ zu verhindern und festgestellt, dass von der Kommission auf der Ebene der IT-Sicherheit zu wenig getan wurde. Dringend erforderlich sei eine umfassende Verschlüsselung des Datenverkehrs und eine größere Unabhängigkeit des europäischen IT-Sektors.
Und nicht zuletzt vermisst der Ausschuss einen wirksamen Schutz von Whistleblowern und Berufsgeheimnisträgern.
Der von den Grünen und der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken eingebrachter Zusatz, der Appell an die EU-Länder, jegliche Strafverfolgung gegen Edward Snowden einzustellen und angesichts seines Status als "Enthüller und internationaler Verteidiger von Menschenrechten" seine Ausweisung oder Überstellung durch eine dritte Partei zu verhindern, wurde knapp mit 285 Stimmen gegen 281 bei 72 Enthaltungen angenommen.

Insgesamt wurde die Resolution vom Europa-Parlament dann mit deutlicher Mehrheit von 342 Stimmen gegen 274 bei 29 Enthaltungen verabschiedet.
[Wesentliche Textstellen übernommen von netzpolitik.org CC by-nc-sa]

Edward Snowden ist auf Twitter: @Snowden

Bild: Twitter

29. September 2015

Seit heute ist Edward Snowden auch über Twitter zu erreichen: @Snowden
Sein erster Tweet:

@Snowden folgt bisher nur @NSAGov, dem offiziellen Twitter-Account der NSA.
Er selbst hatte aber schon vier Stunden später eine halbe Million Follower und in weniger als 24 Stunden war die Million voll! Die NSA hat nur etwas über 100.000 Follower! „Früher war ich für die Regierung tätig, jetzt arbeite ich für die Öffentlichkeit“, heißt es im Profil des Whistleblowers.
Auch Twitter reagierte schnell: Snowdens Account wurde verifiziert und eine Animation der weltweiten Reaktion auf Snowdens Einstieg ins Twitter-Netz gestellt:

Snowden-Abkommen: Privatsphäre schützen!

Bild: Screencopy Snowden Treaty

25. September 2015

Am Vorabend der diesjährigen UN-Generalversammlung in New York, zu der mehr als 150 Präsidenten und Premierminister erwartet werden, haben Aktivisten eine Kampagne für ein Abkommen gestartet, das die Privatsphäre von Bürgern vor staatlichen Schnüffeleien schützen soll.
Bei der New Yorker Auftaktveranstaltung der sozialen Bewegung Avaaz wurde das Vorhaben vorgestellt. Der Journalist Glenn Greenwald, Edward Snowden, die Filmemacherin Laura Poitras und Greenwalds Partner David Miranda haben einen Vertrag konzipiert, das sog. „Snowden-Abkommen“, ein internationales Abkommen zum Datenschutz, das darauf abzielt, die weltweite Massenüberwachung zu beschneiden und Whistleblower besser zu beschützen.
Die Aktivisten hoffen auch auf die UNO als Plattform für ihre Bemühungen. Vor kurzem hatte deren Menschenrechts-Rat mit Joseph Cannataci erstmals einen Berichterstatter speziell für den Schutz der Privatsphäre bestellt.
Das Handelsblatt ergänzt:
Der genaue Wortlaut steht noch nicht fest, weil Avaaz ihn in Diskussion mit möglichen Unterzeichnern ausarbeiten will. Der Brasilianer David Miranda, einer der Aktivisten, hofft auf zehn bis 15 Staaten als Unterstützer, aber er sagt auch: „Das geht nur mit enormem öffentlichem Druck.“
Edward Snowden, der aus seinem russischen Exil per Video-Livestream zugeschaltet war, warnte davor, dass technische Verfahren, die zunächst in Jemen eingesetzt wurden, danach auch von der amerikanischen Polizei übernommen würden. Ähnlich bedenkliche Programme sieht er in Australien, Kanada, Großbritannien und Frankreich. „Sie alle werden als Schutz der Öffentlichkeit verkauft“, sagte Snowden, „aber alles, was sie tun, ist, die Daten der Bürger ohne Unterschied weitläufig einzusammeln“. „Es ist in den USA kein einziger Fall von Terrorbekämpfung bekannt, bei dem die Massenüberwachung der Bürger einen substanziellen Beitrag geleistet hat“.

Sarah Harrison mit Willy-Brandt-Preis geehrt

Bild: Screencopy Ruptly TV

18. September 2015

Die britische Aktivistin und Whistleblower-Verteidigerin Sarah Harrison wird in diesem Jahr von der SPD für ihren besonderen politischen Mut geehrt. Sie wird mit einem Sonderpreis der höchsten Auszeichnung der SPD, dem „Willy-Brandt-Preis“, geehrt.
Bekannt wurde Sarah Harrison durch ihr Engagement für die Enthüllungsplattform WikiLeaks und ihre Unterstützung für verschiedene Whistleblower. Im Sommer 2013 blieb sie an der Seite von Edward Snowden auf seiner Flucht in den Moskauer Flughafen. Die Britin unterstützte Snowden bei seinem Asylantrag in Russland. Einige Jahre zuvor arbeitete sie mit den WikiLeaks-Gründer Julian Assange zusammen. Sie half ihm auch bei seiner Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London, in der er sich seit über drei Jahren befindet. Das Zitat „Mut ist ansteckend“ stammt von ihm.
„Ihr Wirken stehe exemplarisch für das Streben nach Transparenz und den Einsatz gegen ausufernde Überwachung“, begründet die SPD die Wahl. „Sarah Harrison hat mit ihrem Engagement für WikiLeaks und speziell in der Begleitung von Edward Snowden großen politischen Mut bewiesen.“ In Deutschland war lange über ein Asyl für Edward Snowden gestritten worden. Nach den Monaten an der Seite von Edward Snowden zog sie nach Berlin, da sie befürchtet, bei einer Rückkehr nach Großbritannien festgenommen zu werden. [Auszug aus Sabine Bock/Pressenza CC by 4.0]

Selektorenlisten auf den Tisch!

Bild: Mit freundlicher Genehmigung Thomas Plaßmann

3. Juli 2015

Die Enthüllungen der letzten zehn Tage durch WikiLeaks belegen offensichtlich, dass NSA und Co. deutsche Politiker und leitende Beamte in großem Stil abgehört haben. Das gleiche gilt für Politiker und führende Wirtschaftsvertreter Frankreichs… und sicherlich für unzählige weitere Entscheidungsträger weltweit.
Die von WikiLeaks aus einer geheimen NSA-Datenbank veröffentlichten Telefonnummern sind nichts anderes als „Selektoren“, Suchbegriffe mit denen die Daten der weltweiten Überwachungssysteme durchforstet werden. Auch der NSA-Untersuchungsausschuss war auf solche Selektorenlisten gestoßen, die die NSA ihrem deutschen Partnerdienst BND regelmäßig zukommen ließen, und deren Inhalt offensichtlich höchst brisant ist. Sonst hätte sich die Bundesregierung nicht so konsequent geweigert, den Abgeordneten Einsicht in die Listen zu gewähren.
Die von den jetzt veröffentlichten Abhörprotokollen betroffenen Politiker – allen voran unsere Kanzlerin – könnten unverzüglich die Echtheit des Abhörvorgangs bezeugen und Alarm schlagen, aber sie tun… nichts!
Im Untersuchungsausschuss – und in der Öffentlichkeit – besteht der dringende Verdacht, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) der NSA – wissentlich oder warum auch immer – Zuarbeit für deren Überwachungstätigkeit auch in Deutschland geleistet hat. Diese Selektorenlisten müssen daher dringend auf den Tisch!
Die Enthüllungsseite "The Intercept" hat etwa zeitgleich einen großen Fundus an neuen Dokumenten über das wohl wichtigste Überwachungswerkzeug veröffentlicht: XKeyscore die „Google-Suchmaschine der NSA“ besitzt eine komfortable Benutzeroberfläche, die jedem Agenten, der Zugriff auf das System hat, all das ermöglicht, was Edward Snowden schon in seinem ersten Interview vor über zwei Jahren aus Hongkong aufgedeckt hatte – von allen Verantwortlichen aber immer wieder bestritten wurde:

"Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, könnte ich jedermann überwachen, angefangen bei Ihnen oder Ihrem Buchhalter über einen Bundesrichter bis hin zum Präsidenten, wenn ich eine persönliche E-M-Adresse von ihnen hätte."

All das weiß auch unsere Regierung, aber es passiert… nichts!