Snowden, Chomsky, Greenwald über Privatsphäre

13. März 2017

acTVism Munich ist ein gemeinnütziges, unabhängiges und basisdemokratisches Onlinemedium in deutscher und englischer Sprache. Es produziert Videoberichte, organisiert Podiumsdiskussionen und Debatten, übersetzt englische Artikel ins Deutsche und veröffentlicht Gastbeiträge, um die Öffentlichkeit zu informieren und Nachrichten zu Themen von gesellschaftlicher Bedeutung bereitzustellen.

Die Podiumsdiskussion Snowden, Chomsky & Greenwald – Eine Unterhaltung über Privatsphäre wurde auf sechs Videos aufgeteilt, ist jetzt aber vollständig in deutscher Sprache abrufbar. Hier soll zuerst Teil zwei vorgestellt werden:

Nachfolgend ein Ausschnitt aus dem Beitrag von Edward Snowden:

Privatsphäre bedeutet für jeden Menschen etwas anderes. Für viele sind es nur die Einstellungen in ihrem Facebook-Profil nach dem Motto „Ist mir egal, ist doch nur Facebook“. Privatsphäre ist jedoch so viel mehr. Brandeis sagte einmal, Privatsphäre sei das Recht, die Früchte unseres eigenen Intellekts zu genießen. Ich gehe noch etwas weiter. Ich würde sagen, Privatsphäre ist das Grundprinzip, aus dem alle anderen Rechte hervor gehen. Privatsphäre ist das Recht auf das Sein, Privatsphäre ist gemäß unserer Verfassung das Recht auf Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit und auf den Schutz vor ungerechtfertigter Durchsuchung und Beschlagnahme. Privatsphäre ist das Recht auf freies Denken…

Ohne Privatsphäre kann man nichts besitzen. Man würde im Kollektiv existieren, in einem ständigen Zustand des Reagierens auf die Umwelt. Man wäre Teil eines größeren Ganzen, jedoch gänzlich ohne Anspruch auf einen Raum für sich allein. Wenn ich diesen Gedanken weiterverfolge und in meinen eigenen Begrifflichkeiten darüber nachdenke, insbesondere wenn wir mit den Meinungen von Befürwortern des nationalen Sicherheitsstaats konfrontiert werden sowie mit der Art und Weise, wie die Nazis gegen Privatsphäre argumentierten, nämlich „wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“, komme ich zu dem Schluss, dass die Behauptung, Privatsphäre sei einem egal, weil man nichts zu verbergen habe, gleichzusetzen ist mit der Aussage, dass einem Meinungsfreiheit egal ist, weil man nichts zu sagen hat…

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Verantwortlichkeit der Whistleblower

Julian Assange | Edward Snowden

29. Juli 2016

Nach den Veröffentlichungen Hunderttausender vertraulicher E-Mails der US-Demokraten und der türkischen Regierungspartei AKP steht die Enthüllungsplattform WikiLeaks in der Kritik. Nun meldete sich auch Edward Snowden über Twitter mit deutlichen Worten:

(Den Zugang zu) Informationen zu demokratisieren war noch nie wichtiger als heute und @Wikileaks hat dabei geholfen. Aber deren strikte Ablehnung auch einer maßvollen Überarbeitung ist ein Fehler.

Eineinhalb Stunden später schlug WikiLeaks (Julian Assange?) zurück:

@Snowden Opportunismus wird dir keinen Straferlass von Clinton einbringen & Überarbeiten darf nicht heißen, Zensur der finanziellen Transaktionen der herrschenden Partei

Die Vorgeschichte:
Edward Snowden hat alle seine Dokumente an wenige Journalisten übergeben, damit sie von diesen verantwortlich gesichtet werden können und sichergestellt wird, dass durch eine Veröffentlichung niemand zu Schaden kommen kann. Dies ist bis heute – auch nach Ansicht zuständiger Stellen der NSA – gelungen.
Julian Assange mit seiner Plattform WikiLeaks sieht und handhabt das anders. Dort werden geleakte Dokumente in der Regel ohne jede Überarbeitung (Schwärzung von Namen, Adressen, Telefon-Nummern, Aktenzeichen…) veröffentlicht.

Entsprechend hat Assange über seinen Twitter-Account (@wikileaks) schon mehrfach kritisiert, dass Glenn Greenwald die Snowden-Dokumente nicht zügig genug oder nicht vollständig veröffentlicht.

Am 19. Mai 2014 im Zusammenhang mit der Massenüberwachung durch die NSA unter dem Codenamen „MYSTIC“:

Wir missbilligen, dass Firstlook der Washington Post gefolgt ist wobei die Massenüberwachung einer ganzen Nation der Zensur zum Opfer gefallen ist.

Am 27. Mai 2014:

Es ist an der Zeit, die Zensur von Snowden-Dokumenten zu stoppen. Die erste Pflicht eines Journalisten ist die Wahrheit. Keine fingierten Verbesserungen

The Hill | SPIEGEL ONLINE | t3n.de | heise online

Über die Bedeutung von Privatsphäre

Edward Snowden, Noam Chomsky, Glenn Greenwald
Bild: University of Arizona

31. März 2016

Der Whistleblower Edward Snowden gibt mittlerweile häufig Interviews und wird bei vielen Events per Video zugeschaltet. Mit dem Journalisten Glenn Greenwald und dem Wissenschaftler Noam Chomsky verhält es sich ähnlich. Das „College of Social and Behavioral Sciences“ an der Universität Arizona hat die drei Kritiker von staatlicher Überwachung für „A Conversation on Privacy“ – einem Gespräch über Privatsphäre – zusammengebracht.

Ein sehenswertes zweistündiges Interview über das Recht auf Privatsphäre, dessen Bedeutung für (Meinungs-)Freiheit, und die Auswirkungen von Überwachung. Besonders geeignet für jene, die immer noch das Argument vorbringen: „Ich brauche keine Privatsphäre, weil ich nichts zu verbergen habe“. Das sei so, als wenn jemand sagen würde „Ich brauche keine Pressefreiheit, weil ich nichts zu sagen habe“, sagt Snowden.

(Aus netzpolitik.org CC by-nc-sa)

The Intercept | netzpolitik.org

Suche nach den Schuldigen

Bild: Screencopy CNN/YouTube (Montage)

19. November 2015

Nach den grausamen Anschlägen in Paris gab es weltweit unzählige Solidaritätsbekundungen. Aber wie schon bei allen vorangegangenen Attentaten preschen einige Presseorgane mit eigenen Interpretationen, Schuldzuweisungen und Forderungen voraus.
In Deutschland ist dies oftmals die BILD-Zeitung und da verwundert es nicht, wenn Cicero-Redakteurin Petra Sorge sich Gedanken macht:

Denn damals hatte BILD-Chefredakteur Julian Reichelt aus den USA kommentiert:
US-Geheimdienstler und Militärs „sind sich einig, dass niemand der Verhinderung von Terroranschlägen so sehr geschadet hat wie Edward Snowden mit all dem, was er über technische Überwachung enthüllt hat…
Der Westen befindet sich im Krieg gegen den islamistischen Terrorismus“.
Aber nein, diesmal versteckte sich Herr Reichelt lieber hinter einem Link auf einen Politico-Artikel über CIA-Direktor John Brennan.
Brennan hat eine schlichte, überschaubare Sicht der Dinge:
Die Snowden-Veröffentlichungen

  • haben die Arbeit der Geheimdienste behindert und ausgebremst
  • haben in Europa zu einer völlig falschen Sichtweise der Arbeit der Dienste geführt
  • sind Unterlagen, mit denen die Terroristen „zur Schule gegangen“ sind!
  • haben technische und gesetzliche Hürden aufgebaut, die verhindern, dass die Dienste Zugriff auf nicht verschlüsselte Daten haben.

Aber dann hat Reichelt mutig noch eine Serie von 4 Tweets hinterhergeschickt, in denen er entrüstet konstatiert, dass Edward Snowden zu Paris noch kein Statement abgegeben hat… Bravo!
Schon einen Tag nach den jüngsten Anschlägen von Paris benennt „The Daily Dots“ die Scharfmacher, die versuchen die tragischen Ereignisse zu nutzen, um ihre Verschwörungstheorien zu „belegen“.

Es ist so wie immer: Es wird nicht die Frage gestellt, warum Geheimdienste und Polizei schon wieder versagt haben, warum sie die schrecklichen Ereignisse nicht verhindern konnten. Regierungen und Geheimdienste nutzen die Lage, um noch mehr Ressourcen und erweiterte Befugnisse zu fordern, damit so etwas in Zukunft nicht wieder passieren könne.
Der US-Sicherheitsexperte Christopher Soghoian benennt die tatsächliche (unfreiwillige) Quelle der Verschlüsselungswerkzeuge der Terroristen: Die US-amerikanischen Steuerzahler!

Der weltweit meist zitierte Artikel zur Frage der Schuld an den tragischen Ereignissen stammt aber von Glenn Greenwald, der den Anschuldigungen akribisch nachgeht und zu folgenden Ergebnissen kommt:

  • Terroristen haben Verschlüsselung nicht erst seit Snowdens Enthüllungen (Juni 2013) benutzt sondern sogar schon lange vor dem schrecklichen Anschlag vom 11. September 2001.
  • Auch die Terroranschläge 2002 in Bali, 2004 in Madrid, 2005 in London, 2008 in Mumbai und 2013 beim Boston Marathon konnten von den Geheimdiensten nicht verhindert werden, lagen aber lange vor Snowdens Veröffentlichungen!
  • Wenn Terroristen im Geheimen kommunizieren wollen, dann haben sie schon immer Wege gefunden.
  • Das neuerliche Versagen der Geheimdienste ist der eigentliche Grund für die koordinierte Kampagne gegen Snowden…

Und ungeachtet all dieser Fakten, nutzt der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey die Gelegenheit, seine Statements vom Dezember 2013 jetzt beim Nachrichtensender CNN zu wiederholen:

Ich glaube, dass das Blut vieler dieser jungen Franzosen an Snowdens Händen klebt.
Ich würde gegen ihn die Todesstrafe verhängen, und ich würde es vorziehen zu sehen, wie er gehenkt wird, statt ihn nur durch einen Stromschlag zu töten.

Glenn Greenwald mit Siebenpfeiffer-Preis geehrt

Bild: Screencopy SR Mediathek

15. März 2015

Der US-Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald ist wieder zu Besuch in Deutschland. Am 13. März gab er der Saarbrücker Zeitung ein Interview, in dem er US-Präsident Barack Obama scharf kritisierte:
"Das Überwachungssystem wurde sehr stark ausgeweitet, seitdem er Präsident ist – und zwar viel stärker als unter Präsident (George W.) Bush". Obama habe die Möglichkeit, die Abhörprogramme des US-Geheimdienstes NSA zu stoppen, tue es aber nicht. "Das zeigt, wie er wirklich tickt." Als "größte Bedrohung für die Privatsphäre der europäischen Bürger" bezeichnete der Snowden-Vertraute jedoch die britischen Behörden. Deren Geheimdienst GCHQ gehe "noch schärfer vor als die NSA".
Am 15. März wurde Glenn Greenwald dann im saarländischen Homburg mit dem "Siebenpfeiffer-Preis 2015" für "Verdienste um Pressefreiheit und demokratische Transparenz" ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis erinnert an Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845). Dieser war einer der Initiatoren des Hambacher Festes, bei dem 1832 Menschen in der Pfalz für Freiheit und Demokratie demonstrierten.
In seiner Laudatio wollte Vizekanzler Sigmar Gabriel zwar nicht alle Positionen Glenn Greenwalds teilen, fand aber immerhin harte Worte für die Politik der USA. Die NSA-Überwachung sei mehr als ein Gesetzesverstoß, sie lege Hand an die "westliche Wertegemeinschaft", in der individuelle Freiheit und der Schutz der Persönlichkeit vorgehen.

Glenn Greenwald geehrt

Glenn Greenwald speaking at the Young Americans for Liberty\'s Civil Liberties tour at the University of Arizona in Tucson, Arizona.

1. Dezember 2014

Der Journalist und Snowden-Vertraute Glenn Greenwald wird mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet, den der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. und die Landeshauptstadt München vergeben. Greenwald wird für sein Buch „Die globale Überwachung – Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen“ geehrt. Er erhält den Preis für eine Arbeit, die "geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern". Oberbürgermeister Dieter Reiter überreichte den Preis, die Laudatio hielt Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung.

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Bild: precursor