Kein sicherer Hafen!

Logo der neuen Vereinbarung: EU-US-Privatsphäre-Schild

12. Juli 2016

Die Europäische Kommission hat wie erwartet das umstrittene Privacy Shield verabschiedet, das den Transfer personenbezogener Daten zwischen den USA und Europa nach dem Ende von Safe Harbor auf eine rechtssichere Grundlage stellen soll.
Die Süddeutsche titelt:

Vertraut uns, wir sind Spione

  • EU und USA haben eine neue Vereinbarung zum Datenaustausch beschlossen.
  • "Privacy Shield" soll die Privatsphäre der EU-Bürger garantieren, doch Politiker und Datenschützer sind skeptisch.
  • Zwar können Unternehmen besser kontrolliert werden, doch das Problem der Massenüberwachung durch US-Geheimdienste bleibt bestehen.

Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nennt die Vereinbarung "Persilschein für die Massenüberwachung", heute sei "ein pechschwarzer Tag für den Datenschutz in Europa".

Alexander Sander, Hauptgeschäftsführer Digitale Gesellschaft e.V., teilte netzpolitik.org mit:

Die EU hat es versäumt, eine rechtmäßige, vertrauenswürdige und wirksame Grundlage für transatlantische Datenflüsse auf den Weg zu bringen. Das Privacy Shield genügt den Vorgaben der Safe-Harbor Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) keineswegs. Noch immer können die Geheimdienste der USA massenhaft und faktisch unkontrolliert auf personenbezogenen Daten der Europäerinnen und Europäer zugreifen und diese speichern und verarbeiten. Zudem hat man versäumt, einen ausreichenden Rechtsschutz für die europäischen Bürgerinnen und Bürger zu implementieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Vereinbarung vom EuGH zu Fall gebracht wird.

Süddeutsche.de | heise online | netzpolitik.org | netzpolitik.org

"Privatsphäre-Schild" oder Datenkrieg?

Logo der neuen Vereinbarung: EU-US-Privatsphäre-Schild

3. Februar 2016

15 Jahre lang hatte das Safe-Harbour-Abkommen US-Konzernen ermöglicht, die Daten ihrer europäischen Kunden in die USA zu übertragen, obwohl dort keine Datenschutzregeln existieren, die EU-Standards genügen. Bei diesen Daten haben sich bekanntlich nicht zuletzt auch die US-Geheimdienste bedient.
Diese Praxis wurde durch das Urteil des EuGH vom Oktober für illegal erklärt, den betroffenen Unternehmen aber noch eine Duldungsfrist für Datentransfers nach dem alten Safe-Harbor-Abkommen bis 1. Februar 2016 eingeräumt. Seither laufen zwischen der EU und den USA Verhandlungen über ein Folgeabkommen. Die Delegationen standen unter Zeitdruck, haben es aber mit nur einem Tag Verspätung angeblich fast geschafft.
Die zuständigen EU-Kommissare, Věra Jourová (Justiz) und Andrus Ansip (Digitaler Binnenmarkt) haben nun auf einer Pressekonferenz in Straßburg bestätigt, dass sich beide Seiten geeinigt hätten, wie der Datenaustausch zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten künftig geregelt werden solle. Der neue Name soll dann "EU-US-Privatsphäre-Schild" heißen. Justizkommissarin Jourová betonte: "Die USA haben versichert, dass Europäer von ihnen nicht massenhaft oder willkürlich überwacht werden." Dazu werde es schriftliche Zusagen des nationalen Geheimdienstdirektors geben.
Die einprägsamste Antwort auf diesen „Deal“ kam (zwei Tage später) vom österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems, dessen Klage vor dem EuGH das Safe-Harbour-Abkommen zu Fall gebracht hatte:

max-schrems_james-clapper

US-Geheimdienstdirektor James Clapper hatte bekanntlich im März 2013 völlig ungeniert sogar den amerikanischen Kongress belogen… und ist immer noch im Amt! Und er soll nun den Schutz europäischer Daten schriftlich garantieren???
Schon gleich nach der Pressekonferenz in Straßburg gab es unzählige qualifizierte Stellungnahmen:
Edward Snowden twitterte um 12:23 „EU kapituliert völlig bei Safe Harbor. Erstaunlich, da sie alle Karten in der Hand hatten.“

Kurz darauf gab es eine grundlegende Kritik an dem Vorschlag der EU-Kommission von Jan Philipp Albrecht für die Grünen: „Alles andere als sicher: Der Vorschlag zu #SafeHarbor erfüllt nicht Vorgaben des #EuGH.“

Einige Stunden später legt er nach:

Das kann nur ein Scherz sein. Die EU-Kommission betreibt den Ausverkauf von EU-Grundrechten und setzt sich der Gefahr aus, schon wieder vom Gerichtshof der EU belehrt zu werden.

Und anschließend: „EU-Kommission verramscht EU-Grundrecht auf Datenschutz…“
Nach all diesen Steilvorlagen ist es schwer erträglich, dass Günther Oettinger, ehem. Ministerpräsident von Baden-Württemberg und seit 2014 EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft etwa zur gleichen Zeit unbefangen daherzwitschert:

Herzlichen Glückwunsch Věra Jourová zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten! Sicherheit ist gut für’s Geschäft!:

EU-Parlament: Massenüberwachung beenden! Whistleblower schützen!

30. Oktober 2015

Bereits am 12. März 2014 hatte das EU-Parlament den Abschlussbericht zur Aufklärung der NSA-Massenüberwachung mit großer Mehrheit gebilligt und sogar gedroht, das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) platzen zu lassen, wenn die die "pauschale Massenüberwachung" nicht eingestellt würde.
Die Parlamentarier sind mit den bisherigen Entwicklungen unzufrieden, vor allem mit der Untätigkeit der EU-Kommission und dem mangelnden Willen, echte Konsequenzen im Umgang mit den USA zu ziehen.
Der Innenausschuss des EU-Parlaments (LIBE) hat nun einen Entschließungsantrag zur elektronischen Massenüberwachung vorgelegt und droht der Kommission mit Konsequenzen, sollte diese weiterhin keine konkreten Schritte unternehmen. Der Ausschuss kritisiert scharf, dass neue Überwachungsgesetze in Europa geschaffen wurden, die Geheimdiensten eher mehr Kompetenzen als eine bessere Aufsicht geben. Er appelliert an die Mitgliedsstaaten, bessere gesetzliche Grundlagen für wirksame Geheimdienstaufsicht zu implementieren.
Es wird aufgefordert, ein „Überwachungswettrüsten“ zu verhindern und festgestellt, dass von der Kommission auf der Ebene der IT-Sicherheit zu wenig getan wurde. Dringend erforderlich sei eine umfassende Verschlüsselung des Datenverkehrs und eine größere Unabhängigkeit des europäischen IT-Sektors.
Und nicht zuletzt vermisst der Ausschuss einen wirksamen Schutz von Whistleblowern und Berufsgeheimnisträgern.
Der von den Grünen und der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken eingebrachter Zusatz, der Appell an die EU-Länder, jegliche Strafverfolgung gegen Edward Snowden einzustellen und angesichts seines Status als "Enthüller und internationaler Verteidiger von Menschenrechten" seine Ausweisung oder Überstellung durch eine dritte Partei zu verhindern, wurde knapp mit 285 Stimmen gegen 281 bei 72 Enthaltungen angenommen.

Insgesamt wurde die Resolution vom Europa-Parlament dann mit deutlicher Mehrheit von 342 Stimmen gegen 274 bei 29 Enthaltungen verabschiedet.
[Wesentliche Textstellen übernommen von netzpolitik.org CC by-nc-sa]

Auch der BND spionierte die Freunde aus!

15. Oktober 2015

Wie SPIEGEL ONLINE unter Berufung auf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestags berichtet, hat der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) zumindest bis ins Jahr 2013 hinein Tausende eigene Suchbegriffe (Selektoren) eingesetzt, mit denen Botschaften und andere Behörden von EU-Ländern sowie weiteren Partnerstaaten ausgespäht wurden. Darunter sollen sich auch französische und US-amerikanische Ziele befunden haben.
SPIEGEL ONLINE ergänzt:

Über den neuerlichen Abhörskandal informierte die Bundesregierung am Mittwochabend das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags. Die Abgeordneten wollen nun umgehend eine Task Force in die BND-Zentrale nach Pullach entsenden, um die Selektorenliste des BND einzusehen und Mitarbeiter zu befragen. Im Zentrum steht dabei die Frage, wer von der womöglich rechtswidrigen Praxis wusste und wer sie angeordnet hat.

USA kein „sicherer Hafen“!

23. September 2015

Yves Bot, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), ist der Ansicht, die Kommission hätte die USA nicht als "sicheren Hafen" für personenbezogene Daten von EU-Bürgern einstufen dürfen. Mit anderen Worten: Er hält das Safe-Harbor-Abkommen für ungültig.
Die Vorgeschichte: Max Schrems, österreichischer Datenschutzaktivist und Gründer von Europe versus Facebook legt sich seit Jahren immer wieder mit Facebook und der irischen Datenschutzbehörde an. Er ist überzeugt, dass das US-Unternehmen Facebook, das seinen europäischen Sitz in Dublin hat, massiv gegen europäisches Datenschutzrecht verstößt.
Spätestens seit den Snowden-Enthüllungen weiß man, dass der US-Geheimdienst NSA unmittelbar – oder durch Beschluss des Geheimgerichts FISA Court – alle US-Internetunternehmen zwingen kann, Nutzerdaten herauszugeben. Nach europäischem Datenschutzrecht dürfen personenbezogene Daten aber nur in begründeten Einzelfällen an staatliche Dienststellen weitergegeben werden. Max Schrems legte daraufhin beim irischen Datenschutzbeauftragten Beschwerde ein. Dieser wies aber die Beschwerde ab, da die EU-Kommission die Weiterleitung europäischer Daten in die USA nach dem sog. „Safe-Harbor-Abkommen“ gestattet habe. Schrems gab sich mit dieser Begründung nicht zufrieden und zog vor den obersten irischen Gerichtshof. Dieser wiederum legte den Fall dem EuGH in Luxemburg vor.
ZEIT ONLINE folgert:

Nun also hat der Generalanwalt seine Schlussanträge veröffentlicht. Meistens, aber nicht immer, folgt das Gericht der Meinung des Generalanwalts. Das wäre in diesem Fall brisant, denn wenn Safe Harbor kippt, bräuchten mehr als 4.000 US-Unternehmen eine neue rechtliche Grundlage oder ein anderes Abkommen für den Datentransfer aus Europa.

Der Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, Alexander Sander, kommentiert:

Der Generalanwalt tut einen überfälligen Schritt, um dem politischen Rumgeeiere bei der geheimdienstlichen Massenüberwachung ein Ende zu setzen. In seinem Votum stellt er nicht nur klar, dass die Kommission den Schutz personenbezogener Daten seit Jahren schleifen lässt. Er plädiert auch dafür, die von Edward Snowden enthüllte Totalüberwachung der elektronischen Kommunikation durch US-Dienste erstmals höchstrichterlich zu bestätigen. Folgt das Gericht dem Votum, so können politische Entscheidungsträger in Deutschland und Europa die Massenüberwachung künftig nicht mehr als unbewiesene Behauptung abtun.

EU: Menschenrechte und Technologie

10. September 2015

Am Dienstag verabschiedete das europäische Parlament eine Entschließung zu Technologieexporten. Darin mahnte es an, welche Rolle europäische Technologien derzeit beim Ausbau von Massenüberwachung weltweit spielen…
So heißt es in der Resolution vom vergangenen Dienstag, das EU-Parlament „vertritt die Auffassung, dass die aktive Komplizenschaft bestimmter Mitgliedstaaten der EU an der Massenüberwachung der Bürger und der Ausspionierung politischer Führungspersönlichkeiten durch die NSA, wie sie von Edward Snowden enthüllt wurden, der Glaubwürdigkeit der Menschenrechtspolitik der EU schwer geschadet und das weltweit herrschende Vertrauen in die Vorteile der IKT unterlaufen haben.“
Die Entschließung ist ein klarer Seitenhieb auch in Richtung der bundesdeutschen Geheimdienstaufsicht…
Eine klare Ansage ging an die EU-Kommission, ein wirksames Gesetz zum Whistleblowerschutz auf den Weg zu bringen, das ihnen einen internationalen Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung zu gewähren soll. Die Enthüllungen von rechtswidrigen Überwachungspraktiken machen Whistleblower und Journalisten zu Menschenrechtsverteidigern, die von der EU zu schützen wären. Netzneutralität, Verbreitung von Offener Software in Drittländern und die Förderung von Verschlüsselung sieht das Parlament außerdem als notwendige Ziele an. [Auszüge aus netzpolitik.org CC by-nc-sa]

Überwachungspraxis gefährdet Menschenrechte

26. Januar 2015

Der Bürgerrechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarats hat sich klar gegen die derzeit genutzten Überwachungspraktiken der Geheimdienste positioniert.
Der Ausschuss beschäftigte sich seit Monaten mit der staatlichen Überwachung. Im vergangenen Jahr hatten Mitglieder des Ausschusses auch eine Anhörung von Edward Snowden organisiert, bei der der Whistleblower per Videoübertragung zugeschaltet wurde.
Im vorläufigen Bericht heißt es nun: "Die bislang bekannten Überwachungsmaßnahmen bedrohen fundamentale Menschenrechte." Betroffen seien etwa das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und die Freiheit der Meinungsäußerung. Der Ausschuss sei "ernsthaft besorgt" über die Überwachungsmethoden, die durch die Enthüllungen Edward Snowdens seit Juni 2013 bekannt geworden sind.
Im Einzelnen deutet der Bericht auch an, dass das britische Recht, das dem Geheimdienst GCHQ sehr weitreichende Überwachungsbefugnisse einräumt, mit der europäischen Menschenrechtskonvention wohl nicht vereinbar sei.

"Wir können die NSA totrüsten"

26. Juni 2014


Vor dem NSA-Ausschuss haben drei IT-Experten ausgesagt. Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs: „Derzeit ist die digitale Souveränität Deutschlands einfach eine Illusion.“
Die NSA sei aber einfach auszubremsen: Deutschland und Europa müssten nur endlich ihre Kommunikation effizient verschlüsseln. "Man könnte es schaffen, die NSA totzurüsten". Das einzige, was es dazu brauche, sei sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Die Bundesregierung habe sich dieser Forderung aber bisher stets verweigert – vermutlich, damit BND und Verfassungsschutz die Mails der Bürger lesen können…

"Wir töten auf Basis von Metadaten"

Bild: Screencopy Johns Hopkins/YouTube

7. April 2014

Abgehört werden angeblich nicht die Gesprächsinhalte sondern "nur die Metadaten": Wer hat wann von wo aus wie lange mit wem telefoniert?
Um Metadaten ging es auch bei der Podiumsdiskussion der Johns Hopkins Universität, bei der der ehemalige NSA-Chef Michael Hayden zugegen war.
Konfrontiert mit einem Zitat des Leiters der NSA-Rechtsabteilung Stewart Baker:
„Metadaten verraten uneingeschränkt alles über das Leben eines Menschen. Wenn man genügend Metadaten hat, braucht man den Inhalt eigentlich gar nicht.“ bekräftigte General Hayden diese Einschätzung und fügte noch hinzu:

„Wir töten Menschen auf Basis von Metadaten!“