Überwachung > NSA-Skandal
Weitere Unterabschnitte: NSA-Skandal | Nachrichtendienste | Nachrichtendienste 2 | Nachrichtendienste 3 | Überwachung 1 | Überwachung 2

Überwachungsnetzwerk “Echelon” bestätigt!

Bild: Screencopy Alisancar/YouTube

6. August 2015

Echelon ist der Name eines weltweiten Spionagenetzes, das von Nachrichtendiensten der sogenannten Five Eyes (USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada) betrieben wird. Das System dient zum Abhören bzw. zur Überwachung von über Satellit geleiteten privaten und geschäftlichen Telefongesprächen, Faxverbindungen und Internet-Daten.
Die Existenz dieses Systems wurde von allen Verantwortlichen immer wieder geleugnet, gilt aber spätestens seit einer Untersuchung des europäischen Parlaments von 2001 als gesichert. In dem EU-Report von 2001 war auch festgestellt worden, dass die vom US-amerikanischen Geheimdienst NSA im deutschen Bad Aibling betriebene Abhöranlage als Teil von Echelon nach dem Ende des Kalten Krieges überwiegend der Wirtschaftsspionage diente, und es wurde vorgeschlagen, diese zu schließen. Bedingt durch die Terroranschläge des 11. September 2001 trat das Interesse an weiterer Aufklärung des Umfangs und der rechtlichen Grundlagen dieses gewaltigen Überwachungskomplexes in den Hintergrund und auch die Schließung von Bad Aibling wurde erst verspätet im Jahre 2004 umgesetzt.
Journalisten von The Intercept haben nun in den Snowden-Dokumenten Hinweise auf das Überwachungsnetzwerk Echelon gefunden. Einem Report des britischen Geheimdienstes GCHQ aus dem Jahr 2010 lässt sich entnehmen, dass die NSA das System nach wie vor massiv finanziell unterstützte. Und ein weiteres Memo zeigt, mit welcher Verachtung die NSA jeglichen Aufklärungsversuchen begegnete: Als EU-Vertreter im Frühjahr 2001 bei der US-Regierung vorstellig wurden und Aufklärung verlangten, gelang es der „Corporate NSA“ im Zusammenspiel mit Mitgliedern des US-Kongresses, die Delegation erfolgreich abzuwimmeln, sodass sie unverrichteter Dinge wieder abziehen musste.
Für den schottischen Journalisten Duncan Campbell, der Echelon 1988 in einem Artikel für den New Statesman enthüllt hatte, eine späte Genugtuung und Anlass für einen historischen Rückblick in The Register.

Verdacht auf Landesverrat!

31. Juli 2015

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) baut seine Kapazitäten und Fähigkeiten zur Überwachung des Internets aus. Diese Vorhaben lassen sich aus den Wirtschaftsplänen des Verfassungsschutzes ablesen – die sind aber als VS-vertraulich eingestuft. Den Bloggern von netzpolitik.org waren aber solche Dokumente zugespielt worden und sie hatten – aus Sorge um die Rechtmäßigkeit dieser Planungen – im Februar Auszüge des Wirtschaftsplans von 2013 und noch einmal im April Auszüge von 2015 veröffentlicht.
Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte Generalbundesanwalt Harald Range daraufhin schon im Mai 2015 auf der Basis von zwei Strafanzeigen des Präsidenten des BfV, Hans-Georg Maaßen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat gegen die Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister vom Blog netzpolitik.org eingeleitet.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Michael Konken, verurteilte die Ermittlungen als „unzulässigen Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen“. Das Vorgehen des Generalbundesanwalts sei völlig überzogen und stelle einen Angriff auf die Pressefreiheit dar.
Der ehemalige Bundesinnenminister und noch immer aktive Bürgerrechtler, Gerhart Baum, erklärt in einem Gastkommentar bei SPIEGEL ONLINE:

„Ich fordere den Generalbundesanwalt auf, die Ermittlungen gegen das Informationsportal Netzpolitik.org wegen Landesverrats unverzüglich einzustellen… In der Tatsache, diesen Journalisten ein Verbrechen vorzuwerfen, muss der Versuch der Einschüchterung eines unbequemen Kritikers gesehen werden – und dies ist ein Angriff auf die Pressefreiheit.“

Und Georg Restle vom WDR kommentiert:

„Wir brauchen keine Staatsanwälte, die Journalisten jagen. Wir brauchen Staatsanwälte, die auch den Geheimdiensten auf die Finger schauen. Wir brauchen Staatsanwälte, die die Pressefreiheit ernst nehmen. Und wir brauchen einen Generalbundesanwalt, der sich nicht von der Regierung instrumentalisieren lässt.“

Inzwischen ist auch Justizminister Heiko Maas auf Distanz zu den Landesverrats-Ermittlungen gegen die Blogger von netzpolitik.org gegangen. Durch die Veröffentlichung der Dokumente entstehe kein Nachteil für die äußere Sicherheit Deutschlands, sagte Maas.

Frank-Walter Steinmeier im Visier

Bild: Screencopy WikiLeaks
Latuff 2015/WikiLeaks

20. Juli 2015

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist offenbar systematisch vom amerikanischen Geheimdienst NSA abgehört worden. Das geht aus neuen Dokumenten der Enthüllungsplattform Wikileaks hervor. Zusätzlich zu den seit Anfang Juli schon veröffentlichten 125 NSA-Selektoren aus dem Bereich der Bundesregierung wurden jetzt weitere 20 Telefonnummern aus NSA-Überwachungslisten veröffentlicht, die dem Auswärtigen Amt zugeordnet sind.
Einige Anschlüsse gehören noch zum Bonner Büro des früheren Außenministers Joschka Fischer. Das bedeutet, dass das Auswärtige Amt schon vor den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 von der NSA abgehört wurde.
Gleichzeitig hat Wikileaks auch ein Abhörprotokoll veröffentlicht, das zusammenfasst, was Frank-Walter Steinmeier Ende 2005 über einen gerade beendeten Besuch bei seiner Kollegin Condoleezza Rice in Washington zu sagen hatte.
Steinmeier war seinerzeit gerade Außenminister der Großen Koalition geworden und zu einem zweitägigen Besuch in die USA geflogen. Unmittelbar vor der Reise hatten Medien berichtet, dass der US-Geheimdienst CIA vermeintliche Terroristen zu „Befragungszwecken“ über eine deutsche Militärbasis zu Geheimgefängnissen nach Osteuropa ausgeflogen habe. Die Zusammenfassung des Gesprächs von Steinmeier erweckt den Eindruck, dass der neue deutsche Außenminister damals eher zufrieden darüber war, von der US-Seite keine klaren Antworten zu der Angelegenheit erhalten zu haben: "Er schien erleichtert", steht in dem Protokoll.
Frank-Walter Steinmeier war zuvor schon ins Gerede gekommen, da er im Jahre 2003 als Kanzleramtsminister eine maßgebliche Rolle bei der Operation Eikonal, der Organisation der Überwachungsstrukturen über den Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt, gespielt hatte.

Kanzleramt über Jahrzehnte abgehört

8. Juli 2015

WikiLeaks veröffentlicht drei weitere NSA-Abhörprotokolle von Gesprächen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, zusammen mit einer Liste von 56 NSA-Selektoren, die sich auf die Bundeskanzlerin und das Bundeskanzleramt beziehen. Die Liste enthält nicht nur vertrauliche Telefonnummern der Bundeskanzlerin, sondern auch die Nummern ihrer Spitzenbeamten, ihrer Assistenten, ihres Stabschefs, ihres Büros und sogar ihres Fax-Anschlusses. Die gesammelten NSA-Ziellisten, die von WikiLeaks veröffentlicht wurden, belegen die gezielte Langzeit-Überwachung von 125 Telefonnummern deutscher Politiker und Beamter – und zwar aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, wie aus den Kennzeichnungen in den Dokumenten selbst hervorgeht.
Die Namen, die einigen der Selektoren zugeordnet sind, deuten darauf hin, dass die US-Spionage im Bundeskanzleramt nicht erst mit der Amtszeit von Merkel begonnen hat. Auch Mitarbeiter von Bundeskanzler Gerhard Schröder (1998-2002) und Helmut Kohl (1981-1998) befinden sich in dieser Liste. Das entspricht dem Vorgehen der USA beim Abhören von französischen Stellen, die auch die Amtszeiten der früheren Präsidenten Sarkozy und Chirac umfassen.
[Auszüge aus WikiLeaks]
Die Süddeutsche Zeitung resümiert:

„In Regierungskreisen hieß es informell, man wundere sich in dieser Sache über nichts mehr. Spätestens mit der Entdeckung der NSA-Selektoren in Bad Aibling sei dem Kanzleramt das Ausmaß amerikanischer Spionage in Europa klar geworden. Beschwerden in Washington seien offenbar sinnlos.“

Die Hoffnung, dass nun endlich Schwung in die Affäre kommt, ist trügerisch. Auch Die Zeit hat Recherchen angestellt und berichtet zur gleichen Zeit nach Auswertung vertraulicher Akten, dass “deutsche Sicherheitsbehörden seit mehr als zehn Jahren deutliche Hinweise darauf [haben], dass die Geheimdienste der USA und Großbritanniens die Kommunikation im Berliner Regierungsviertel massenhaft ausspähen.“
Diese Dokumente belegen, dass seit spätestens 2001 alle, die sich von Amts wegen mit Spionage beschäftigten, davon ausgehen mussten, dass Briten und Amerikaner von ihren Botschaften aus den Mobilfunk im Zentrum der Hauptstadt belauschen.
Aber passiert ist nichts!

Selektorenlisten auf den Tisch!

Bild: Mit freundlicher Genehmigung Thomas Plaßmann

3. Juli 2015

Die Enthüllungen der letzten zehn Tage durch WikiLeaks belegen offensichtlich, dass NSA und Co. deutsche Politiker und leitende Beamte in großem Stil abgehört haben. Das gleiche gilt für Politiker und führende Wirtschaftsvertreter Frankreichs… und sicherlich für unzählige weitere Entscheidungsträger weltweit.
Die von WikiLeaks aus einer geheimen NSA-Datenbank veröffentlichten Telefonnummern sind nichts anderes als „Selektoren“, Suchbegriffe mit denen die Daten der weltweiten Überwachungssysteme durchforstet werden. Auch der NSA-Untersuchungsausschuss war auf solche Selektorenlisten gestoßen, die die NSA ihrem deutschen Partnerdienst BND regelmäßig zukommen ließen, und deren Inhalt offensichtlich höchst brisant ist. Sonst hätte sich die Bundesregierung nicht so konsequent geweigert, den Abgeordneten Einsicht in die Listen zu gewähren.
Die von den jetzt veröffentlichten Abhörprotokollen betroffenen Politiker – allen voran unsere Kanzlerin – könnten unverzüglich die Echtheit des Abhörvorgangs bezeugen und Alarm schlagen, aber sie tun… nichts!
Im Untersuchungsausschuss – und in der Öffentlichkeit – besteht der dringende Verdacht, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) der NSA – wissentlich oder warum auch immer – Zuarbeit für deren Überwachungstätigkeit auch in Deutschland geleistet hat. Diese Selektorenlisten müssen daher dringend auf den Tisch!
Die Enthüllungsseite "The Intercept" hat etwa zeitgleich einen großen Fundus an neuen Dokumenten über das wohl wichtigste Überwachungswerkzeug veröffentlicht: XKeyscore die „Google-Suchmaschine der NSA“ besitzt eine komfortable Benutzeroberfläche, die jedem Agenten, der Zugriff auf das System hat, all das ermöglicht, was Edward Snowden schon in seinem ersten Interview vor über zwei Jahren aus Hongkong aufgedeckt hatte – von allen Verantwortlichen aber immer wieder bestritten wurde:

"Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, könnte ich jedermann überwachen, angefangen bei Ihnen oder Ihrem Buchhalter über einen Bundesrichter bis hin zum Präsidenten, wenn ich eine persönliche E-M-Adresse von ihnen hätte."

All das weiß auch unsere Regierung, aber es passiert… nichts!

XKeyscore im Detail

3. Juli 2015

The Intercept hat in einer zweiteiligen Artikelreihe 48 neue Dokumente zu dem Überwachungsprogramm XKeyscore veröffentlicht… Die ersten Enthüllungen über XKeyscore – die „Googlesuche der NSA“ – gab es bereits zu Beginn der Snowden-Enthüllungen im Juli 2013.
Mit XKeyscore hat die NSA ein System erschaffen, mit dem sie ihre gewaltigen Datenberge durchsuchen kann – E-Mails, Chatprotokolle oder Internetaktivitäten, Metadaten und Inhalte, gefiltert nach Namen, Telefonnummern, IP-Adressen, Browsertyp und vielem mehr. Ohne jegliche Kontrolle oder Aufsicht. Auf einem Cluster aus über 700 Servern an 150 Standorten in verschiedenen Ländern wird sämtlicher Datenverkehr, der an Glasfaserkabeln abgeschnorchelt wurde, für gewisse Zeit gespeichert und durchsuchbar gemacht. Mit einer Nutzeroberfläche, die erstaunlich übersichtlich und bedienbar anmutet.
Die neuen Dokumente, die bis ins Jahr 2013 hineinreichen, zeigen uns, dass beim Durchsuchen von Mails, Chats und Internetaktivitäten noch lange nicht Schluss ist. Quasi alles wird gespeichert, kategorisiert und durchsucht. Dazu gehören:
„[P]ictures, documents, voice calls, webcam photos, web searches, advertising analytics traffic, social media traffic, botnet traffic, logged keystrokes, computer network exploitation (CNE) targeting, intercepted username and password pairs, file uploads to online services, Skype sessions and more.“
Uns wird auch gezeigt, dass sich die NSA zahlreicherer Möglichkeiten bedient, einen Nutzer zu verfolgen und seine Datenspuren zu einem Bild zusammenzufügen, als bisher bekannt. Nicht nur anhand der IP-Adresse wird getrackt, die NSA greift auch auf die Cookies kommerzieller Anbieter zurück und lässt diese so einen Teil der Verfolgungsarbeit erledigen, ganz ohne dass diese es merken. XKeyscore kann außerdem als Hacking-Tool benutzt werden, denn Passwörter und Zugangsdaten können abgefragt werden, ebenso wie „verwundbare“ Geräte.
[Auszug übernommen von netzpolitik.org CC by-nc-sa]

NSA: Bundesregierung ausgespäht!

Bild: Montage aus lamentables und samsungtomorrow

1. Juli 2015

Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte eine Liste mit 69 Telefonnummern der Deutschen Bundesregierung, die aus einer geheimen NSA-Überwachungsliste stammen. Sie belegen, dass der US-Geheimdienst NSA nicht nur das Handy der Kanzlerin abgehört hat, sondern seit mindestens zwei Jahrzehnten auch andere Mitglieder der Bundesregierung. Der Liste zufolge gehören zu den Spionagezielen der NSA bereits seit den Neunzigerjahren Bundesminister und Spitzen-Beamten des Wirtschafts-, Finanz- und Landwirtschaftsministeriums.
Außer dieser Liste veröffentlichte WikiLeaks zahlreiche den Telefonnummern zugeordnete geheime Abhörprotokolle, die belegen, dass sich die NSA vor allem für die deutsche Währungs- und Handelspolitik interessierte – bis hin zu den Versuchen, Griechenland und den Euro zu retten. So zeigen die Protokolle, wie die USA – und auch Großbritannien – deutsche Spitzenbeamte ausspionieren, als diese ihre Positionen und Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Lösung der griechischen Finanzkrise diskutieren.
Die hier aufgeführten Nummern zeigen nur einen Ausschnitt derjenigen Telefonanschlüsse, die die NSA als sogenannte "Selektoren" in ihren Computern führte und möglicherweise sogar bis heute führt. Gespräche, die über diese Nummern laufen, werden im Normalfall automatisch aufgezeichnet.
Diese Dokumente belegen eindeutig eine fortlaufende Wirtschafts- und Politik-Spionage gegen Deutschland. Dies hat mit dem vorgeblichen „Kampf gegen den Terror“ gar nichts zu tun!
SPIEGEL ONLINE resümiert:

„Die Zeit des Leugnens und Herausredens ist endgültig vorbei.“

ZEIT ONLINE zitiert Martina Renner von der Linkspartei. Sie sagt, es seien bisher nur 69 von Millionen Selektoren bekannt.

„Die Bundesregierung muss dazu Stellung nehmen, das Konsultationsverfahren beenden und den Abgeordneten im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss – und nicht einer von der Bundesregierung ernannten Vertrauensperson – die Liste aller Selektoren vorlegen. Denn sonst steht der Verdacht im Raum, dass der BND dem amerikanischen Geheimdienst NSA dabei geholfen hat, die Bundesregierung auszuspionieren.“

Auch Frankreichs Wirtschaft ausspioniert

Bild: WikiLeaks

29. Juni 2015

Knapp eine Woche nach den ersten Veröffentlichungen von Dokumenten über Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA in Frankreich unter dem Titel "Espionnage Élysée" setzt die Enthüllungsplattform Wikileaks ihre Publikationen zum Thema fort.
Nicht nur die letzten drei französischen Präsidenten und ihr Politstab wurden ausgespäht, die NSA interessierte sich auch für führende Wirtschaftsvertreter. In den nun veröffentlichten Dokumenten werden Gespräche von Wirtschaftspolitikern Frankreichs zusammengefasst. Demnach interessierten sich die US-Geheimdienste vor allem für die IT-Industrie, die Energiewirtschaft (inklusive Atomenergie), Verkehrsprojekte, Umwelttechnik und den Gesundheits- sowie Biotechnologiesektor.
Außerdem zitiert die Plattform einen Auftrag an NSA-Agenten, Informationen zu allen Verträgen französischer Firmen zu sammeln, in denen es um mehr als 200 Millionen US-Dollar geht.
Der Nachrichtendienst n-tv resümiert:

„Wikileaks bringt Washington damit erneut in akute Erklärungsnot: Mit Terrorabwehr oder Fragen der nationalen Sicherheit der USA hat dieses Vorgehen offensichtlich nichts zu tun. Die USA drohen einen engen Verbündeten über ihre vermeintlichen Geheimdienstpraktiken zu verlieren. Ein klares Dementi gab es bislang aus Washington nicht. Und: Was in Frankreich Praxis gewesen sein soll, dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach auch in Deutschland passiert sein. Es erscheint schwer vorstellbar, dass die NSA-Agenten ihre umstrittenen Spionagetätigkeiten nur auf die zweitstärkste Wirtschaftsmacht der Eurozone beschränkt haben sollten – und nicht auch auf Deutschland ausgedehnt.“

GCHQ an Drohneneinsätzen im Jemen beteiligt?

24. Juni 2015

Die Rechtmäßigkeit des Einsatzes bewaffneter Drohnen zur gezielten Tötung von (vermeintlichen) Terroristen durch die USA wird immer wieder infrage gestellt. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr dieses Problem wieder Ende April als US-Präsident Obama einräumen musste, dass bei einem solchen Einsatz in Pakistan auch zwei von Al-Qaida gefangen gehaltene westliche Entwicklungshelfer ums Leben gekommen sind.
In eklatantem Widerspruch zum Völkerrecht stehen hierbei wohl vor allem die Einsätze außerhalb der anerkannten Kriegsgebiete. So führt auch Großbritannien Drohneneinsätze durch, offiziell aber nur in den Kriegsgebieten in Afghanistan, im Irak und in Libyen.
Streng geheime Dokumente aus dem Fundus von Edward Snowden zeigen nun, dass ein geheimes Programm namens „Overhead“ existiert, bei dem die Geheimdienste der USA, Großbritanniens und Australiens zusammenarbeiten, um ihre Fähigkeiten zur Lokalisierung von Zielpersonen auszubauen, und zwar außerhalb der Kriegsgebiete im Yemen und in Pakistan.
War der britische Geheimdienst GCHQ direkt oder indirekt an den gezielten Tötungen der USA im Jemen und in Pakistan beteiligt? Welcher politisch Verantwortliche wusste davon?
Die entsprechenden Fragen Deutschland betreffend sind auch noch immer nicht geklärt. Wie weit ist der Bundesnachrichtendienst durch Übermittlung von geeigneten Metadaten an dem US-amerikanischen Tötungsprogramm beteiligt? Seit wann hatte wer der politisch Verantwortlichen  Kenntnis davon?

NSA überwachte französische Staatsspitze

24. Juni 2015

Der US-Geheimdienst NSA soll jahrelang französische Spitzenpolitiker abgehört haben, die drei letzten Staatspräsidenten François Hollande, Nicolas Sarkozy und Jacques Chirac mit eingeschlossen. Das geht aus Dokumenten hervor, die der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt wurden und die gestern Abend Auszüge daraus veröffentlicht hat. Demnach wurden die Staatsoberhäupter mindestens von 2006 bis Mai 2012 ausgespäht.
Die als streng geheim eingestuften Dokumente liefern auch inhaltliche Zusammenfassungen abgehörter Telefongespräche. Nur wenige Tage nach seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten gab François Hollande Ende Mai 2012 seinem Ministerpräsidenten Marc Ayrault grünes Licht, um ein geheimes Treffen zu organisieren, das einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zum Thema hatte. Zusätzlich dazu wollte sich Hollande mit Vertretern der damaligen SPD-Opposition treffen, darunter dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, weil offizielle Gespräche mit Kanzlerin Merkel nur reine „Show“ gewesen seien und keine substanziellen Ergebnisse gebracht hätten. Aus einem weiteren Bericht aus dem Jahr 2010 geht hervor, dass sich der damalige Präsident Nicolas Sarkozy frustriert darüber gezeigt haben soll, mit den USA kein No-Spy-Abkommen abschließen zu können. Dieses sei angeblich in Aussicht gestellt worden.
Unterdessen hat Hollande den Verteidigungsrat zu einer Sondersitzung einberufen und bezeichnete die Überwachungsmaßnahmen als „inakzeptabel“. „Frankreich wird keinerlei Machenschaften dulden, die seine Sicherheit und den Schutz seiner Interessen in Frage stellen“, heißt es in einer Erklärung des Elysée-Palasts. US-Behörden hätten in der Vergangenheit Versprechungen gemacht, die sie respektieren sollten. [Auszüge aus netzpolitik.org CC by-nc-sa]

Projekt "Camberdada"

22. Juni 2015

Aus geheimen Unterlagen des US-Geheimdienstes NSA, die von der Enthüllungs-Plattform "The Intercept" veröffentlicht wurden, geht hervor, dass die NSA und der britische Geheimdienst GCHQ über Jahre hinweg Antiviren-Firmen ausgespäht und versucht haben, deren Programme zu rekonstruieren und Schwachstellen aufzudecken, um herauszubekommen, wie sie beim Angriff auf Rechner den Virenschutz umgehen können.
Als besondere Herausforderung für die Geheimdienste galt die russische Softwarefirma Kaspersky. Sie wird in den jetzt veröffentlichten Dokumenten besonders häufig erwähnt. Das lässt vermuten, dass der erst vor zwei Wochen bekannt gewordene Hacker-Angriff auf die Sicherheitsforscher von Kaspersky auch von diesen beiden westlichen Geheimdiensten ausging. Auch der technische Aufbau des dabei eingesetzten Trojaners, der auf den Namen Duqu 2.0 getauft wurde, scheint diese Theorie zu untermauern.
Ein pikantes Detail in diesem Zusammenhang ist wohl die Meldung, dass Kaspersky unmittelbar nach der Entdeckung des Cyber-Angriffs nicht nur die russischen Sicherheitsbehörden eingeschaltet hat, um die Aufklärung voranzutreiben, sondern auch die britischen Dienste!
Außer Kaspersky werden weitere Antiviren-Firmen als geeignete Ziele benannt. Welche von diesen erfolgreich gehackt worden sind, geht aus den vorliegenden Dokumenten nicht hervor. Aufgelistet werden u.a. der deutsche Hersteller Avira sowie die österreichischen Anbieter Ikarus und Emsisoft, DrWeb (Russland), F-Secure (Finnland), AVG und Avast (Tschechien), ESET (Slowakei) und Bit-Defender (Rumänien).
Nicht betroffen sind demnach die amerikanischen Antivirus-Firmen Symantec und McAfee sowie der britische Softwarehersteller Sophos.
Darüber hinaus hätten die Geheimdienste Firewall-Hersteller, Internetforen und eine Router-Firma infiltriert, was ihnen unter anderem erlaubt habe, "auf fast jeden Internetuser" in Pakistan zuzugreifen und den dortigen Datenverkehr direkt in die Systeme des GCHQ umzuleiten.

Der 1. Edward-Snowden-Platz Dresdens

Bild: Screencopy guntergall kult-tv 2

21. Juni 2015

Pünktlich zum 32. Geburtstag Edward Snowdens wurde in Dresden ein kleiner Platz auf dem Gelände Bautzner Straße 6 auf seinen Namen getauft. Mit dieser deutschlandweit ersten derartigen Aktion möchte Markwart Faussner, Miteigentümer des Grundstückes, gemeinsam mit zwei weiteren Initiatoren ein Zeichen setzen und den mutigen Einsatz von Whistleblowern weltweit und auch in Deutschland würdigen sowie für mehr Zivilcourage werben.
Die feierliche Enthüllung des Schildes „Edward-Snowden-Platz“ wurde durch eine kurze Laudatio eingeleitet. „Edward Snowden, der uns im Juni 2013 die Augen geöffnet hat, dass wir täglich weltweit überwacht werden. Unsere Daten werden gespeichert, unsere Daten werden ausgewertet.“ All das werde angeblich für unsere Freiheit getan. „Ich habe aber Sorge, dass unsere Freiheit so gut überwacht und beschützt wird, dass zum Schluss nichts mehr übrig ist von unserer Freiheit!“ sagte der Redner. „Whistleblower sind enorm wichtig für eine funktionierende demokratische Gesellschaft. Man muss etwas tun, sonst bleibt alles immer nur Stammtischgerede.“ Deshalb setzen wir hier ein Zeichen und taufen diesen Platz in Edward-Snowden-Platz“, und ergänzte: „Dear Edward, I have a dream, that you will someday come back to your homeland as a free man.“
Diese Aktion war gründlich vorbereitet und mit Edward Snowdens deutschem Anwalt, dem in Berlin tätigen Menschrechtsaktivisten und Experten für internationales Strafrecht Wolfgang Kaleck, abgesprochen. Die Initiatoren hoffen, dass ihre Aktion Mut macht, auch anderenorts vergleichbare Aktionen durchzuführen.

Bundestag noch nicht befreit…

Bild: Werner Kunz (Montage)

19. Juni 2015

Vor mehr als 5 Wochen hatten IT-Spezialisten des Parlaments und auch Experten des Verfassungsschutzes im Cyberabwehrzentrum des Bundes Symptome eines Cyberangriffs auf den Bundestag erkannt.
Die Hacker, die vermutlich mithilfe eines in einer E-Mail versteckten Trojaners in das Bundestagsnetz "Parlakom" eingedrungen waren, haben dort Passwörter stehlen und sich so Administrator-Zugangsberechtigungen verschaffen können. Neben Dienstcomputern in den Gebäuden des Bundestags sind wohl auch Rechner in Wahlkreisbüros betroffen.
Nun steht fest, dass bei dem Angriff tatsächlich Daten abgeflossen sind, u.a. wurden große Mengen vertraulicher E-Mails kopiert und ausgeschleust. Nach bisherigen Erkenntnissen Daten in einer Größenordnung von rund 16 Gigabyte. Ein weiterer Datenabfluss auch von geheimen Dokumenten kann nicht ausgeschlossen werden, da einige Rechner noch immer durch eingeschleuste Trojaner infiziert sein könnten.
Die zuständigen Dienste versuchen weiter, den Schaden zu analysieren und einzugrenzen. Aufgrund der Komplexität der eingesetzten Schadprogramme und des hochprofessionellen Vorgehens der Täter wird vermutet, dass der Angriff von einem ausländischen Geheimdienst ausgeht. Indizien legen nahe, dass man es hier mit russischen Cyberspionen zu tun hat.
Der eingeschleuste Trojaner hat sich so tief in die IT-Infrastruktur eingefressen, dass das IT-System des Bundestags wohl zumindest in Teilen erneuert werden muss. Experten gehen davon aus, dass dies noch Monate in Anspruch nehmen wird.
Von Seiten der betroffenen Parlamentarier und in den Medien wird nun auch Kritik laut am Umgang der Verantwortlichen mit dem Cyberangriff. Offensichtlich hatte man die mit der Digitalisierung einhergehenden Probleme gewaltig unterschätzt und stand dem Desaster z.T. hilflos gegenüber.
So nahm es die Verwaltung mit der IT-Sicherheit manchmal nicht so genau. Viele Rechner liefen monatelang mit einem veralteten, nicht mehr unterstützten Betriebssystem (Windows XP) und bildeten so – natürlich – ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Müsste eigentlich jeder wissen! Vielleicht doch nicht jeder? Es ist (auf den Tag genau) gerade mal zwei Jahre her, dass unsere Kanzlerin zugegeben hat: “Das Internet ist für uns alle Neuland…“.

„China und Russland sind so gut wie sicher im Besitz der Snowden-Dokumente“

Bild: Rama

16. Juni 2015

Glenn Greenwald hatte in seiner Replik auf den unseriösen Artikel der „Sunday Times“ vom 14. Juni schon darauf hingewiesen, dass die schamlosen Angriffe auf Edward Snowden keine neue Masche sind. Daniel Ellsberg, Chelsea Manning und andere Whistleblower sind in der Vergangenheit in gleicher Weise diffamiert worden.
Snowden selbst hat mehrfach unmissverständlich erklärt, dass er bei seiner Flucht aus Hongkong keine Dateien bei sich hatte. Diese habe er vorher den Journalisten übergeben, mit denen er zusammenarbeitete, und dann habe er seine eigene Kopie gewissenhaft vernichtet.
Nun wird Snowden aber von ganz anderer Seite gegen die Diffamierungen in Schutz genommen. Bruce Schneier, der renommierte Experte für Kryptographie und Computersicherheit ist sich ziemlich sicher, dass China und Russland im Besitz der Snowden-Dokumente sind, weil sie schon lange vor Snowden in die entsprechenden Netzwerke der NSA eingedrungen waren. Die Geheimdienste sollten daher nicht auf Snowden zeigen, sondern in den Spiegel schauen!
Schneier weist noch einmal darauf hin, dass Snowden beteuerte, dass er nichts nach Russland mitnahm und dass er die Dokumente auf eine Weise verschlüsselte, bei der er selbst keinen Zugang mehr haben konnte. Schneier hat keinen Zweifel an diesen Aussagen, da alle in Computersicherheit ausgebildeten Fachleute dies genauso handhaben würden.
Eine solche Verschlüsselung ist sehr stark, schwach ist aber die Sicherheit von Computern und Netzen. Die Schwachstelle ist folglich nicht Snowden, sondern sind alle, die mit solchen Dateien auf ihren Rechnern und in ihren Netzwerken umgehen. Das sind alle dazu berechtigten Mitarbeiter der Geheimdienste, aber auch die Journalisten, die diese Dateien bearbeiten. Auch wenn sie alle Vorsichtsmaßnahmen befolgen, wissen wir aus den Snowden-Dokumente, dass ein Geheimdienst wie die NSA schon 2008 außerordentliche Fähigkeiten entwickelt hatte, in Computer einzudringen, auch wenn sie besonders gesichert und nicht mit dem Netz verbunden waren.
Diese Fähigkeiten der NSA sind aber nicht einzigartig. Man muss davon ausgehen, dass andere Länder auch schon 2008 ähnliche Fähigkeiten besessen haben. Erfolgreiche Cyberangriffe der letzten Monate auch auf Netzwerke der US-Regierung zeigen, wozu Staaten wie China oder Russland fähig sind.
So wie der US-Geheimdienst Netzwerke anderer Staaten unbemerkt infiltriert hat und wie Snowden sich lange Zeit unentdeckt im Netz der NSA herumtreiben konnte, könnten dies dort auch fremde Geheimdienste getan haben. Man weiß es nicht, aber „sicherlich mussten Russland und China nicht auf Snowden warten, um an diese Dokumente zu kommen“ folgerte Bruce Schneier aus seiner Analyse.

„Britische Spione an Russen und Chinesen verraten“

Bild: CNN.com

16. Juni 2015

Mit dieser Schlagzeile erschien die „Sunday Times“ des Murdoch-Imperiums am 14. Juni 2015. In dem Artikel wird behauptet, russische und chinesische Geheimdienste hätten die von Edward Snowden gestohlenen streng geheimen Dokumente in ihren Besitz gebracht und entschlüsselt. Britische Agenten im Ausland seien deshalb gefährdet und müssten abgezogen werden. Quelle dieser Informationen seien führende Mitglieder aus Kreisen der britischen Regierung, des Innenministeriums und der Geheimdienste, bleiben aber ungenannt. Ein ebenfalls nicht genanntes hochrangiges Mitglied des Innenministeriums habe gesagt, dass Snowden „Blut an seinen Händen habe“. Allerdings gäbe es bisher keine Beweise, dass jemand zu Schaden gekommen wäre.
Der Journalist Glenn Greenwald reagierte als einer der Ersten auf die Anschuldigungen der „Sunday Times“. Er widerlegte einige der dort aufgestellten Behauptungen, verwies auf das Fehlen jeglicher Beweise und charakterisierte den Artikel als Journalismus der miesesten Art gespickt mit Unwahrheiten. Dies sei eine Gefälligkeitsarbeit für die britische Regierung.
Der Artikel der „Sunday Times“ hatte jedoch den erwünschten Effekt: Die renommierte Nachrichtenagentur Reuters übernahm die wesentlichen Passagen des Artikels und so ging die Meldung um die Welt!
In Deutschland griff – natürlich – die BILD-Zeitung die Meldung begierig auf, aber auch SPIEGEL ONLINE, ZEIT ONLINE und die FAZ, hinter der bekanntlich immer ein kluger Kopf steckt, übernahmen den Kern der Schlagzeile und wesentliche Inhalte mit leichten Einschränkungen.
Was tatsächlich am Artikel der „Sunday Times“ dran ist, versuchte dann der Nachrichtensender CNN in einem Interview mit Tom Harper, einem der Autoren des Artikels, herausfinden. Auf die Frage, woher die nicht genannten Quellen der Regierung wissen, dass die Dokumente geknackt worden seien, sagte Tom Harper: „Das weiß ich auch nicht… wir wissen nur, dass dies die offizielle Haltung der britischen Regierung ist.“ Kurz darauf, leicht abgewandelt: "Wir veröffentlichen nur, was wir für die derzeitige Haltung der britischen Regierung halten." Und auf Nachfragen zu den Details in seinem Artikel: "Ich weiß es nicht." Deutlicher kann man kaum sagen, dass man sich von der eigenen Regierung für skrupellose Propaganda hat einspannen lassen.

Cyberangriff auf US-Regierung

13. Juni 2015

Hacker sind in US-Regierungscomputer mit persönlichen Daten von Regierungsangestellten eingedrungen. Der schon vor einer Woche bekannt gegebene Angriff auf das Office of Personnel Management (OPM) hat sich nun als viel schwerwiegender herausgestellt als zuerst vermutet wurde. Abgegriffen wurden offenbar auch sensible, persönliche Daten von Mitarbeitern bei Polizei, Geheimdiensten und Militärs berichteten US-Medien unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter. Demnach erbeuteten die Hacker digitale Kopien eines Formulars, das Behördenmitarbeiter vor ihrer Sicherheitsfreigabe ausfüllen müssen, und in dem sie ihren persönlichen Hintergrund sowie ihr familiäres und privates Umfeld nahezu komplett offenlegen. Dazu gehören Angaben zum schulischen und beruflichen Werdegang, Drogenkonsum sowie zum Gesundheitszustand inklusive Medikamentengebrauch oder Krankenhausaufenthalte. Zudem sollen Namen und Anschriften von Familienangehörigen und Freunden genannt werden. Die Mitarbeiter müssen alle beruflichen und privaten Auslandskontakte sowie ihre Auslandsreisen auflisten. Sollten diese Daten in die Hände anderer Geheimdienste gefallen sein, wäre dies ein Desaster für die US-Sicherheitspolitik.
Betroffen sein sollen nun insgesamt 9 – 14 Millionen Personen.
Regierungsbeamte machten gegenüber mehreren US-Medien Hacker aus China für den Angriff verantwortlich. Die chinesische Botschaft in Washington wies diese Anschuldigungen zurück und nannte die Vorwürfe "unverantwortlich".
Bereits im vergangenen Jahr waren Hacker in die E-Mail-Systeme des Weißen Hauses und des Außenministeriums eingedrungen. Für diesen Angriff sollen Hacker aus Russland verantwortlich gewesen sein.

Freunde bespitzeln – geht doch!

13. Juni 2015

Die Arbeit des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages ist mühsam. Viele Zeugen haben erhebliche Erinnerungslücken. Dennoch wird allmählich sichtbar, dass vieles nicht korrekt abgelaufen ist, obwohl fast alle Verantwortlichen fast immer fast alles – den Vorgaben entsprechend – richtig gemacht hätten.
Auch von den öffentlichen Sitzungen des Ausschusses gibt es bekanntlich keine offiziellen Protokolle (außer denen, die bisher von WikiLeaks unerlaubt veröffentlicht worden sind). Informieren kann man sich zwar durch die von netzpolitik.org dankenswerter Weise veröffentlichten Live-Blogs der Sitzungen… Aber diese rudimentären Mitschriften sind natürlich letztlich nicht beweiskräftig.
Nun steht ja der Bundesnachrichtendienst (BND) seit einiger Zeit im Verdacht, aus eigenem Interesse oder dem des US-Dienstes NSA befreundete europäische Länder, insbesondere Frankreich und Österreich bespitzelt zu haben.
Der österreichische „Kurier“ hat sich nun offensichtlich das Protokoll der Sitzung vom 21. Mai 2015 besorgt, bei der BND-Chef Gerhard Schindler u.a. zu eben dieser Frage als Zeuge gehört wurde.
Nun schreibt der „Kurier“, dass Schindler bestätigt habe, „dass österreichische Regierungsbehörden, aber auch der Regierungssitz des französischen Präsidenten im Élysée-Palast [vom BND] ausspioniert wurden." Und BND-Chef Schindler habe gesagt, "dass er dabei keine rechtlichen Bedenken habe, da die Menschenrechtskonvention nur für das eigene Staatsgebiet gelte."
"Wir glauben, dass das rechtswidrig war", sagte Martina Renner, Abgeordnete der LINKEN, dem "Kurier".

Der Geist des Kanzleramts

10. Juni 2015

Kai Biermann kommentiert bei ZEIT ONLINE:

„Die Aufklärer kommen nicht weiter. Die alles entscheidende Frage des NSA-Untersuchungsausschusses kann nicht geklärt werden: Hat sich der Bundesnachrichtendienst dazu missbrauchen lassen, Deutschland und befreundete Länder auszuspähen? Die Antwort darauf steckt in der geheimen Liste der Suchbegriffe, über die seit Wochen diskutiert wird. Diese Selektoren belegen, was der BND auf Anfrage der NSA ausgeforscht hat. Die Liste zeigt, ob Firmen und Politiker in Europa das Ziel der Überwachung waren.
Doch der Untersuchungsausschuss darf die Liste nicht sehen, denn die Regierung fürchtet Ärger mit den USA. Sie will nicht offenlegen, wie die NSA arbeitet.“
„Die Obleute [der Ausschüsse des Bundestags] sollten die Akten sehen dürfen. Sie sollten zur Not die Bundesregierung darauf verklagen. Einen wie auch immer ausgestatteten Sonderermittler sollten sie auf keinen Fall akzeptieren. Weil die Grenze dessen erreicht ist, was sie an Schwärzungen, Lügen und gezielter Verschleierung hinnehmen dürfen.“

Heribert Prantl kommentiert in der Süddeutschen Zeitung:

„Es gibt Grundregeln des Parlamentarismus. Die Bundesregierung ist gerade dabei, sie außer Kraft zu setzen: Die Regierung will selbst bestimmen, wer die parlamentarischen Kontrollrechte wahrnimmt. Sie will den "Ermittlungsbeauftragten" bestimmen, der für das Parlament die Selektorenliste des BND einsieht und dem Parlament beziehungsweise seinen Ausschüssen dann darüber berichtet. Das ist, mit Verlaub, ein Witz.“

Die Regeln parlamentarischer Kontrolle des Regierungshandelns können nicht einfach mal so von der Regierung außer Kraft gesetzt werden – auch dann nicht, wenn die NSA und US-Interessen berührt sind. Die Freundschaft mit den USA ist ein hoher Wert, aber sie ist nicht mehr wert als die Verfassung. Und sie legitimiert nicht deren Missachtung.
"Die Bundesregierung hat ein Mandat des Parlaments und unterliegt dessen Kontrolle", sagt die Obfrau der Linkspartei, Martina Renner. Alles andere beschneide das Parlament und verhindere Aufklärung, sagen die Obleute.

Massenüberwachung ist Menschenrechtsverletzung

9. Juni 2015

Genau zwei Jahre, nachdem Edward Snowden durch den britischen Guardian und die Washington Post bekannt gegeben hatte, dass er der Whistleblower ist, der die anlasslose Massenüberwachung durch das Spähprogramm PRISM des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA enthüllt hatte, führte „ZEIT ONLINE“ ein Interview mit Daniel Ellsberg, dem wohl bekanntesten US-amerikanischen Whistleblower, der 1971 die Pentagon Papers an Journalisten weitergegeben hatte, die die Lügen der US-Regierung über den Vietnamkrieg offenbarten.
Daniel Ellsberg fühlt sich den Whistleblowern Edward Snowden und auch Chelsea Manning, die vertrauliche Dokumente und Videos insbesondere zu Menschenrechtsverletzungen im Irakkrieg an WkiLeaks weitergegeben hatte, sehr verbunden.
Er ist äußerst besorgt über das Ausmaß der Massenüberwachung. „Tatsache ist jedenfalls, dass der heute bestehende Überwachungsapparat in der Lage ist, den genauen Aufenthaltsort Hunderttausender Menschen zu ermitteln – von Muslimen, Menschen aus dem Nahen Osten, Dissidenten, und so weiter. Ich glaube, dass sie, wenn es ein zweites 9/11 gäbe, über Nacht in Camps landen würden, so wie die Japaner in den USA im Zweiten Weltkrieg. Wir haben die Infrastruktur eines Polizeistaates geschaffen.“ Sagt Ellsberg und fügt besorgt hinzu: „Und die Deutschen erkennen das eher als Amerikaner.“
„Anlasslose Massenüberwachung… ist schlicht eine Menschenrechtsverletzung, die noch nicht einmal die Sicherheit erhöht.“
Auf die Frage, ob Deutschland Edward Snowden politisches Asyl anbieten sollte, sagte Ellsberg: „Aber natürlich! Deutschland schuldet ihm politisches Asyl. Das ist ein Menschenrecht. Er erfüllt die Bedingungen. Leider ist kein Land in Europa oder Lateinamerika bereit, sich in dieser Sache mit dem Weißen Haus anzulegen.“

Aufsicht und Kontrolle ausbauen!

Bild: Saeima

8. Juni 2015

Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarates, weist in einem aktuellen Papier darauf hin, dass alle Regierungen Europas an die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Verfassungen gebunden sind. Er sieht aber in praktisch allen 47 Mitgliedsländern Lücken in der Aufsicht der Dienste und drängt massiv auf eine Reform in allen Mitgliedsländern.
Im Gespräch mit der Zeitschrift c’t verweist er zuerst auf zwei gravierende Aspekte:
„Zum einen die Beteiligung von mehr als 25 Mitgliedsländern an rechtswidrigen Auslieferungen von Terrorverdächtigen an den US-Geheimdienst CIA. Wo waren da die Kontrolleure? Zum anderen durch die Enthüllungen zur Massenüberwachung von Edward Snowden. Die haben noch einmal gezeigt, dass die Aufsicht nicht funktioniert.“
„Wir haben die Lektion von Edward Snowden sehr schnell vergessen“, sagt er und nimmt dann exemplarisch zu Frankreich Stellung, wo nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo schnell verschärfte Überwachungsgesetze vorgelegt wurden. „Das Hauptproblem ist der geplante Verzicht auf eine Kontrolle durch die Gerichte und der Übergang von einer gezielten Überwachung zu einer Massenüberwachung. Das ist in hohem Maße problematisch.“
„Ein anderer Aspekt ist, dass die Massenüberwachung uns am Ende unsicherer macht. Der von Pieter Omtzigt vorbereitete Bericht der Parlamentarischen Versammlung liefert starke Argumente dafür, dass die massenhafte Überwachung Mittel abzweigt, die für die Aufklärung terroristischer Gefahren benötigt werden.“
Die parlamentarische Aufsicht ist wichtig, muss aber dringend ergänzt werden. „Das Norwegische EOS-Utvalget Komitee und CTIVD in den Niederlanden können die Dienste zu einer Prüfung aufsuchen und sich vor Ort Datenbanken und Dokumente anschauen. Das ist ein mächtiges Instrument, aber alleine reicht es auch nicht. Die Aufsicht durch die Gerichte, die vorab Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Überwachungsaktionen prüfen, sind wichtig.“