Klage wegen Überwachung am Internetknoten DE-CIX

Zentrale des BND in Berlin

16. September 2016

Es bestehen große Zweifel, ob die sogenannte strategische Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) nach dem G10-Gesetz rechtens ist. Der BND wird jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verklagt, um die Rechtmäßigkeit der praktisch durchgeführten Massenüberwachung prüfen zu lassen.
Eingereicht hat die Klageschrift die DE-CIX Management GmbH, die das Telekommunikationsgeheimnis ihrer Kunden verletzt sieht. Der weltweit größte Netzknoten für Telekommunikationsdaten des DE-CIX in Frankfurt/Main hat im letzten Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen gefeiert, dort wird ein erheblicher Teil der europäischen Kommunikation abgewickelt. Alle großen Telekommunikationsanbieter sind dort Kunden, etwa zwei Drittel sind aus Deutschland und der EU. Das macht ihn zu einem attraktiven Ziel für Geheimdienste: DE-CIX erhält Überwachungsanordnungen des BND und muss sie technisch umsetzen.
Dass Kabel angezapft werden, um Daten aus dem In- und Ausland an die BND-Zentrale zu liefern, ist kein Geheimnis mehr. Fast zweihundert Länder, inklusive verbündeter Staaten, umfasst das Interessengebiet des BND. Wie weit das aber legal ist und in welcher Form, ist umstritten…
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, hat in einer gutachterlichen Stellungnahme die Rechtmäßigkeit der Anordnungen zur strategischen Fernmeldeaufklärung untersucht. In dem Gutachten sind neben den gesetzlichen Grundlagen und dem Verfassungsrecht auch Fragen in Bezug auf die Charta der Grundrechte der EU angesprochen. DE-CIX sieht sich durch das Gutachten bestätigt und verweist für die heutige Einreichung der Klage auf „gewichtige Zweifel“, dass die derzeitige Überwachungspraxis rechtmäßig ist…
Hans-Jürgen Papier bezieht dazu in seinem Gutachten für das Telekommunikationsgeheimnis nach Artikel 10 eine klare Position:
Nach heute weit überwiegender Rechtsauffassung in der Literatur kommt gerade dem Grundrecht aus Art. 10 I GG keine auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland begrenzte Schutzwirkung zu.
Das bedeutet, dass das Telekommunikationsgeheimnis auch dann greift, wenn der BND ausländische Telekommunikation von im Ausland lebenden Menschen mitschneidet… (Auszug aus netzpolitik.org CC by-nc-sa)

netzpolitik.org | ZEIT ONLINE

BND-Reformgesetz: Massenüberwachung legalisieren

Derzeit halblegaler Teilzugriff, bald legaler Generalzugriff: BND am Internet-Knoten DE-CIX.

28. Juni 2016

Abhören deutscher Internet-Knoten, Weltraum-Theorie, illegale Überwachungsziele: Die Liste fragwürdiger Praktiken des Bundesnachrichtendiensts (BND) ist lang. Spätestens seit die Granden des Verfassungsrechts zum Auftakt des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses im Bundestag feststellten, dass „die gesamte deutsche Auslandsaufklärung rechtswidrig ist“, führte an einer Reform der Geheimdienst-Überwachung kein Weg vorbei.
Das Kabinett hat nun den Entwurf für ein neues BND-Gesetz verabschiedet, das „klare Regeln für die Auslandsaufklärung“ festschreiben soll.
Netzpolitik.org titelt hierzu:
Das neue BND-Gesetz: Alles, was der BND macht, wird einfach legalisiert. Und sogar noch ausgeweitet.
Und fasst dann zusammen:

  1. Inland: Bisher durfte der Auslandsgeheimdienst BND innerhalb Deutschlands eigentlich nicht abhören. Der Internet-Knoten DE-CIX klagt dagegen, dass er seit 2009 vom BND abgehört wird. Das wird jetzt einfach legalisiert, der BND bekommt einen Vollzugriff.
  2. Masse: Bisher durfte der BND nur einzelne Leitungen abhören, z.B. eine Glasfaser der Telekom zwischen Luxemburg und Wien – und davon eigentlich nur 20 Prozent der Kapazität. Jetzt fallen beide Grenzen und der BND darf ganze Telekommunikationsnetze abhören, also sämtliche Leitungen von Telekom und DE-CIX. Damit wird das „Ausmaß der Überwachung erheblich steigen“.
  3. Anlass: Die Überwachung wird immer mit Terror, Krieg und Proliferation begründet. Das waren schon bisher nur einige von insgesamt acht Abhör-Zielen, inklusive „Cyber-Gefahren“ wie DDoS-Angriffe. Aber auch diese „Beschränkung“ gilt nur für EU-Bürger. Den Rest der Welt darf der BND abhören, um „die Handlungsfähigkeit der BRD zu wahren“ und „Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ zu gewinnen. Das „erlaubt die Überwachung zu annähernd beliebigen Zielen“.
  4. Metadaten: Die „beliebigen Überwachungsziele“ gelten nur für Inhaltsdaten. Metadaten darf der BND von allen sammeln, die nicht eindeutig als Deutsche erkennbar sind – also im Zweifel immer. Der BND selbst soll Metadaten nur ein halbes Jahr speichern dürfen. Aber der BND darf Metadaten auch massenhaft und automatisch an „Partner“ wie die NSA geben. Schon bisher gibt der BND der NSA mindestens 1.300.000.000 Metadaten – jeden Monat. Das wird jetzt legalisiert.
  5. Kontrolle: Die Kontrolle der Geheimdienste ist bisher zersplittert in drei Gremien, die jeweils nur einen Ausschnitt sehen. Jetzt wird ein viertes Gremium geschaffen, das als „unabhängig“ bezeichnet wird, aber von der Regierung ernannt wird. Auch weiterhin gibt es keine Kontroll-Instanz, die ein vollständiges Bild über die Aktivitäten des BND hat. Effektive Kontrolle ist so unmöglich.

(Auszug aus netzpolitik.org CC by-nc-sa)

netzpolitik.org | netzpolitik.org | SPIEGEL ONLINE

BND-Aufsicht: mangelhaft!

26. März 2015

Klaus Landefeld, Aufsichtsrat beim Frankfurter Netzknoten DE-CIX – dem Internet-Knoten mit dem weltweit größten Datendurchsatz – berichtete im NSA-Untersuchungsausschuss vom Fortbestehen der Abhörpraxis des BND seit 2009. Trotz schwerer Bedenken habe der DE-CIX diese Praxis hinnehmen müssen.
Zudem soll das Bundeskanzleramt mehrmals interveniert haben und sowohl die G10-Kommission, als auch die Bundesnetzagentur davon abgehalten haben, das Abhören zu untersuchen.
Weiterhin führte Landefeld aus, dass der BND sich nicht nur für außerdeutsche Leitungen interessiere, wie etwa in den arabischen Raum, sondern auch für innerdeutsche Leitungen, auf denen über 90 Prozent des Verkehrs grundrechtsgeschützt sei. Es ließe sich „absolut nicht trennscharf“ entscheiden, was im Netz „deutsch ist oder nicht“.
Der Zeuge forderte von der Politik, eindeutige Vorschriften zu erlassen, was gesetzlich zulässig sei, und insbesondere Grenzen zu setzen für die erlaubte Speicherdauer.
Die erste Anforderung des BND ging 2009 an den DE-CIX, führte Landefeld aus. Da die Wünsche sehr weit gegangen seien, hätten die Zuständigen versucht, Kontakt mit der G10-Kommission des Bundestags aufzunehmen, die einschlägige Anträge genehmigen muss. Bis auf ein Mitglied habe sich aber kein Abgeordneter zu einem Gespräch bereit erklärt. Im Anschluss habe das Bundeskanzleramt klargestellt, dass der DE-CIX vor Erhalt einer Anordnung schweigen müsse und auch danach Geheimhaltungsvorschriften unterliege.