NSA-Timeline: BND

Die deutschen Dienste BND (Bundesnachrichtendienst) und BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz)

Auch der BND spionierte die Freunde aus!


15. Oktober 2015

Wie SPIEGEL ONLINE unter Berufung auf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestags berichtet, hat der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) zumindest bis ins Jahr 2013 hinein Tausende eigene Suchbegriffe (Selektoren) eingesetzt, mit denen Botschaften und andere Behörden von EU-Ländern sowie weiteren Partnerstaaten ausgespäht wurden. Darunter sollen sich auch französische und US-amerikanische Ziele befunden haben.
SPIEGEL ONLINE ergänzt:

Über den neuerlichen Abhörskandal informierte die Bundesregierung am Mittwochabend das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags. Die Abgeordneten wollen nun umgehend eine Task Force in die BND-Zentrale nach Pullach entsenden, um die Selektorenliste des BND einzusehen und Mitarbeiter zu befragen. Im Zentrum steht dabei die Frage, wer von der womöglich rechtswidrigen Praxis wusste und wer sie angeordnet hat.

BND löschte wieder NSA-Selektorenlisten


24. September 2015

Bei der heutigen Sitzung des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses des Bundestags waren vier Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Zeugen vorgeladen. Der Zeuge K.M., ein Sachbearbeiter in der BND-Zentrale in Pullach, sorgte für Aufregung als er freimütig berichtete, dass E-Mails eines halben Jahres mit problematischen NSA-Selektoren „versehentlich“ gelöscht worden seien.
Mit der Einsetzung des Bundestagsuntersuchungsausschusses war ein Löschmoratorium ausgesprochen worden: Das sollte verhindern, dass Beweise vernichtet werden. Offensichtlich aber hat der Bundesnachrichtendienst – willentlich oder unwillentlich – dagegen verstoßen.
Heise online weist darauf hin, dass im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss schon bei einer Zeugenanhörung im Mai dieses Jahres herauskam, dass der BND eine Selektorenliste brenzliger Ausspähziele gelöscht hatte.
Und unsere parlamentarischen Untersuchungsausschüsse haben sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass immer wieder Akten geschreddert werden oder Beweise verschwinden…
ZEIT ONLINE resümiert:

Angesichts der Tatsache, dass alles zum Thema Selektoren geheimgehalten wird, fällt es schwer, an einen Zufall zu glauben. Noch ein Detail in diesem Zusammenhang: So sagte K. M. auch, intern habe man solche Nachrichten, in denen aussortierte Selektoren aufgeführt waren, mit der niedrigsten Geheimhaltung verschickt. Unter den Abgeordneten des Ausschusses wurde daraufhin Unmut laut, da ihnen jeder Einblick in Selektorenlisten verboten ist – sie werden als "streng geheim" behandelt. Nur ein von der Bundesregierung eingesetzter sogenannter Vertrauensmann darf die Selektorenlisten sehen und dann dem Ausschuss darüber berichten. Die Opposition hat deswegen vor dem Bundesverfassungsgericht bereits eine Klage eingereicht.

BND an die Kette legen!


5. September 2015

Aus der Pressemitteilung der Humanistischen Union:
Heute haben über 150 Menschen den BND vor seiner neuen Zentrale an der Berliner Chausseestraße symbolisch an die Kette gelegt. Die Menschenkette zog mit riesigen Kettengliedern vor das BND-Gelände und schloss die Kette mit einem Vorhängeschloss. Wenige Tage vor der Wiederaufnahme des NSA-Untersuchungsausschusses forderten die Demonstranten eine sofortige Aufklärung des BND-Skandals, den Stopp der anlasslosen Massenüberwachung und eine wirksame Kontrolle des Geheimdienstes. Zur Kundgebung und Menschenkette hatte ein Bündnis von Amnesty International, Digitalcourage, Humanistische Union, Internationale Liga für Menschenrechte, Reporter ohne Grenzen, Whistleblower-Netzwerk und #wastungegen Überwachung aufgerufen.
Werner Koep-Kerstin, Bundesvorsitzender der Humanistischen Union: „Wir legen den BND an die Kette, weil er den Boden von Demokratie und Rechtstaatlichkeit verlassen hat. Wer millionenfach und ohne Anlass Menschen ausspioniert und ihre privaten Kommunikationsdaten an amerikanische Geheimdienste weitergibt, ist eine Gefahr für unser Land. Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung bisher nicht zur Aufklärung dieser illegalen Überwachung beigetragen hat. Mit unserer Aktion fordern wir Merkel und Co. zu Aufklärung, Transparenz und Kontrolle auf.“

Verfassungsschutz zahlt mit unseren Daten


public domain

27. August 2015

Die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT ist im Besitz einer Übereinkunft, die zwischen dem US-amerikanischen Geheimdienst National Security Agency (NSA), dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geschlossen wurde. Im April 2013 vereinbarten diese drei Dienste, dass das BfV die NSA-Spionagesoftware XKeyscore erhält und nutzen darf und dafür im Gegenzug "in größtmöglichem Ausmaß" alle relevanten Daten mit der NSA teilen werde.
Aus den Snowden-Dokumenten ist seit Juli 2013 bekannt, dass der BND XKeyscore einsetzt. Damals hatte die Bundesregierung behauptet, erst aus der Presse von den Spähprogrammen der US-Regierung erfahren zu haben. Nun ist belegt, dass die zuständigen Organe schon Monate vorher in Kenntnis gesetzt worden sein mussten… oder sie sind ihren gesetzlichen Aufsichtspflichten in erschreckendem Umfang nicht nachgekommen.
SPIEGEL ONLINE präzisiert die Funktionsweise des Programms:

Das System XKeyscore ist einer internen NSA-Präsentation vom Februar 2008 zufolge ein ergiebiges Spionagewerkzeug und ermöglicht annähernd die digitale Totalüberwachung. Ausgehend von Verbindungsdaten ("Metadaten") lässt sich darüber beispielsweise rückwirkend sichtbar machen, welche Stichworte Zielpersonen in Suchmaschinen eingegeben haben. Zudem ist das System in der Lage, für mehrere Tage einen "full take" aller ungefilterten Daten aufzunehmen – also neben den Verbindungsdaten auch zumindest teilweise Kommunikationsinhalte.

ZEIT ONLINE ergänzt, dass XKeyscore beim Verfassungsschutz unter dem Decknamen "Poseidon" betrieben wird, um die Verbindung zur NSA zu verschleiern, und dass diese Spähsoftware ein mächtiger Datenknacker ist, denn sie fände jedes Passwort, und resümiert:

Weder der Datenschutzbeauftragte noch das zur Überwachung des Verfassungsschutzes eingesetzte Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKGr) wurden bislang vollständig über die Abmachung informiert. "Wieder muss ich von der Presse von einem neuen Vertrag BfV/NSA und unerlaubter Weitergabe deutscher Daten an den US-Geheimdienst erfahren", klagt der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied im PKGr.

Schwarzer Peter mit Selektorenliste


13. August 2015

Der NSA-Untersuchungsausschuss und die G10-Kommission des Bundestags wollen die Selektorenliste einsehen, die Einblicke geben würde in die Art der Überwachung durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA und ihren Bundesdeutschen Partner BND, aber die Bundesregierung verweigert seit Monaten deren Offenlegung. Auf dieser Selektorenliste stehen etwa 40.000 vom Geheimdienst NSA übermittelte Suchbegriffe, die der BND als unzulässig aussortiert hatte.
Bislang hat die Bundesregierung erklärt, man könne der Forderung nicht nachkommen, weil dafür die Zustimmung der US-Regierung notwendig sei. Doch Mitarbeiter von US-Präsident Barack Obama widersprechen dieser Aussage nun in der ZEIT.
ZEIT ONLINE:

Das Weiße Haus habe zwar Bedenken geäußert, doch sei der Bundesregierung nicht untersagt worden, den Geheimdienstausschüssen des Bundestags die Liste zur Einsicht vorzulegen. Die letzte Entscheidung über eine Freigabe sei der Bundesregierung überlassen worden. Auch sei es eine "absolute Mär", dass die US-Regierung mit einer Einschränkung der Geheimdienstkooperation gedroht habe, sollte die Liste öffentlich werden.

SPIEGEL ONLINE ergänzt:

Nach dem zwischen Deutschland und den USA im Jahre 2002 vereinbarten "Memorandum of Agreement" spähte der BND für den US-Geheimdienst NSA zwischen 2004 und 2008 auch das deutsche Kabelnetz aus. Und zwar als Teil der Operation "Eikonal" am "Frankfurter Knoten", einem der wichtigsten Internetverbindungspunkte der Welt.
Der ehemalige Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) wusste nach Angaben des früheren Geheimdienstkoordinators und BND-Chefs Ernst Uhrlau vorab von dieser deutsch-amerikanischen Abhöraktion. Steinmeier sei 2003 über die Aktion "inhaltlich unterrichtet" gewesen, sagte Uhrlau der "Zeit".

Das Kanzleramt bestreitet, von der Regierung in Washington freie Hand für die Herausgabe der US-Spionagelisten bekommen zu haben. Es gebe Spielregeln zwischen Geheimdiensten, an die sich die Bundesregierung zu halten habe. Deshalb sei eine Offenlegung der Listen für Parlamentarier nur mit Zustimmung der US-Seite möglich, sagte Peter Altmaier, der für die Geheimdienste zuständige Chef des Kanzleramts.

Selektorenlisten auf den Tisch!

Bild: Mit freundlicher Genehmigung Thomas Plaßmann

3. Juli 2015

Die Enthüllungen der letzten zehn Tage durch WikiLeaks belegen offensichtlich, dass NSA und Co. deutsche Politiker und leitende Beamte in großem Stil abgehört haben. Das gleiche gilt für Politiker und führende Wirtschaftsvertreter Frankreichs… und sicherlich für unzählige weitere Entscheidungsträger weltweit.
Die von WikiLeaks aus einer geheimen NSA-Datenbank veröffentlichten Telefonnummern sind nichts anderes als „Selektoren“, Suchbegriffe mit denen die Daten der weltweiten Überwachungssysteme durchforstet werden. Auch der NSA-Untersuchungsausschuss war auf solche Selektorenlisten gestoßen, die die NSA ihrem deutschen Partnerdienst BND regelmäßig zukommen ließen, und deren Inhalt offensichtlich höchst brisant ist. Sonst hätte sich die Bundesregierung nicht so konsequent geweigert, den Abgeordneten Einsicht in die Listen zu gewähren.
Die von den jetzt veröffentlichten Abhörprotokollen betroffenen Politiker – allen voran unsere Kanzlerin – könnten unverzüglich die Echtheit des Abhörvorgangs bezeugen und Alarm schlagen, aber sie tun… nichts!
Im Untersuchungsausschuss – und in der Öffentlichkeit – besteht der dringende Verdacht, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) der NSA – wissentlich oder warum auch immer – Zuarbeit für deren Überwachungstätigkeit auch in Deutschland geleistet hat. Diese Selektorenlisten müssen daher dringend auf den Tisch!
Die Enthüllungsseite "The Intercept" hat etwa zeitgleich einen großen Fundus an neuen Dokumenten über das wohl wichtigste Überwachungswerkzeug veröffentlicht: XKeyscore die „Google-Suchmaschine der NSA“ besitzt eine komfortable Benutzeroberfläche, die jedem Agenten, der Zugriff auf das System hat, all das ermöglicht, was Edward Snowden schon in seinem ersten Interview vor über zwei Jahren aus Hongkong aufgedeckt hatte – von allen Verantwortlichen aber immer wieder bestritten wurde:

"Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, könnte ich jedermann überwachen, angefangen bei Ihnen oder Ihrem Buchhalter über einen Bundesrichter bis hin zum Präsidenten, wenn ich eine persönliche E-M-Adresse von ihnen hätte."

All das weiß auch unsere Regierung, aber es passiert… nichts!

NSA: Bundesregierung ausgespäht!

Bild: Montage aus lamentables und samsungtomorrow

1. Juli 2015

Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte eine Liste mit 69 Telefonnummern der Deutschen Bundesregierung, die aus einer geheimen NSA-Überwachungsliste stammen. Sie belegen, dass der US-Geheimdienst NSA nicht nur das Handy der Kanzlerin abgehört hat, sondern seit mindestens zwei Jahrzehnten auch andere Mitglieder der Bundesregierung. Der Liste zufolge gehören zu den Spionagezielen der NSA bereits seit den Neunzigerjahren Bundesminister und Spitzen-Beamten des Wirtschafts-, Finanz- und Landwirtschaftsministeriums.
Außer dieser Liste veröffentlichte WikiLeaks zahlreiche den Telefonnummern zugeordnete geheime Abhörprotokolle, die belegen, dass sich die NSA vor allem für die deutsche Währungs- und Handelspolitik interessierte – bis hin zu den Versuchen, Griechenland und den Euro zu retten. So zeigen die Protokolle, wie die USA – und auch Großbritannien – deutsche Spitzenbeamte ausspionieren, als diese ihre Positionen und Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Lösung der griechischen Finanzkrise diskutieren.
Die hier aufgeführten Nummern zeigen nur einen Ausschnitt derjenigen Telefonanschlüsse, die die NSA als sogenannte "Selektoren" in ihren Computern führte und möglicherweise sogar bis heute führt. Gespräche, die über diese Nummern laufen, werden im Normalfall automatisch aufgezeichnet.
Diese Dokumente belegen eindeutig eine fortlaufende Wirtschafts- und Politik-Spionage gegen Deutschland. Dies hat mit dem vorgeblichen „Kampf gegen den Terror“ gar nichts zu tun!
SPIEGEL ONLINE resümiert:

„Die Zeit des Leugnens und Herausredens ist endgültig vorbei.“

ZEIT ONLINE zitiert Martina Renner von der Linkspartei. Sie sagt, es seien bisher nur 69 von Millionen Selektoren bekannt.

„Die Bundesregierung muss dazu Stellung nehmen, das Konsultationsverfahren beenden und den Abgeordneten im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss – und nicht einer von der Bundesregierung ernannten Vertrauensperson – die Liste aller Selektoren vorlegen. Denn sonst steht der Verdacht im Raum, dass der BND dem amerikanischen Geheimdienst NSA dabei geholfen hat, die Bundesregierung auszuspionieren.“

Freunde bespitzeln – geht doch!


13. Juni 2015

Die Arbeit des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages ist mühsam. Viele Zeugen haben erhebliche Erinnerungslücken. Dennoch wird allmählich sichtbar, dass vieles nicht korrekt abgelaufen ist, obwohl fast alle Verantwortlichen fast immer fast alles – den Vorgaben entsprechend – richtig gemacht hätten.
Auch von den öffentlichen Sitzungen des Ausschusses gibt es bekanntlich keine offiziellen Protokolle (außer denen, die bisher von WikiLeaks unerlaubt veröffentlicht worden sind). Informieren kann man sich zwar durch die von netzpolitik.org dankenswerter Weise veröffentlichten Live-Blogs der Sitzungen… Aber diese rudimentären Mitschriften sind natürlich letztlich nicht beweiskräftig.
Nun steht ja der Bundesnachrichtendienst (BND) seit einiger Zeit im Verdacht, aus eigenem Interesse oder dem des US-Dienstes NSA befreundete europäische Länder, insbesondere Frankreich und Österreich bespitzelt zu haben.
Der österreichische „Kurier“ hat sich nun offensichtlich das Protokoll der Sitzung vom 21. Mai 2015 besorgt, bei der BND-Chef Gerhard Schindler u.a. zu eben dieser Frage als Zeuge gehört wurde.
Nun schreibt der „Kurier“, dass Schindler bestätigt habe, „dass österreichische Regierungsbehörden, aber auch der Regierungssitz des französischen Präsidenten im Élysée-Palast [vom BND] ausspioniert wurden." Und BND-Chef Schindler habe gesagt, "dass er dabei keine rechtlichen Bedenken habe, da die Menschenrechtskonvention nur für das eigene Staatsgebiet gelte."
"Wir glauben, dass das rechtswidrig war", sagte Martina Renner, Abgeordnete der LINKEN, dem "Kurier".

Der Geist des Kanzleramts


10. Juni 2015

Kai Biermann kommentiert bei ZEIT ONLINE:

„Die Aufklärer kommen nicht weiter. Die alles entscheidende Frage des NSA-Untersuchungsausschusses kann nicht geklärt werden: Hat sich der Bundesnachrichtendienst dazu missbrauchen lassen, Deutschland und befreundete Länder auszuspähen? Die Antwort darauf steckt in der geheimen Liste der Suchbegriffe, über die seit Wochen diskutiert wird. Diese Selektoren belegen, was der BND auf Anfrage der NSA ausgeforscht hat. Die Liste zeigt, ob Firmen und Politiker in Europa das Ziel der Überwachung waren.
Doch der Untersuchungsausschuss darf die Liste nicht sehen, denn die Regierung fürchtet Ärger mit den USA. Sie will nicht offenlegen, wie die NSA arbeitet.“
„Die Obleute [der Ausschüsse des Bundestags] sollten die Akten sehen dürfen. Sie sollten zur Not die Bundesregierung darauf verklagen. Einen wie auch immer ausgestatteten Sonderermittler sollten sie auf keinen Fall akzeptieren. Weil die Grenze dessen erreicht ist, was sie an Schwärzungen, Lügen und gezielter Verschleierung hinnehmen dürfen.“

Heribert Prantl kommentiert in der Süddeutschen Zeitung:

„Es gibt Grundregeln des Parlamentarismus. Die Bundesregierung ist gerade dabei, sie außer Kraft zu setzen: Die Regierung will selbst bestimmen, wer die parlamentarischen Kontrollrechte wahrnimmt. Sie will den "Ermittlungsbeauftragten" bestimmen, der für das Parlament die Selektorenliste des BND einsieht und dem Parlament beziehungsweise seinen Ausschüssen dann darüber berichtet. Das ist, mit Verlaub, ein Witz.“

Die Regeln parlamentarischer Kontrolle des Regierungshandelns können nicht einfach mal so von der Regierung außer Kraft gesetzt werden – auch dann nicht, wenn die NSA und US-Interessen berührt sind. Die Freundschaft mit den USA ist ein hoher Wert, aber sie ist nicht mehr wert als die Verfassung. Und sie legitimiert nicht deren Missachtung.
"Die Bundesregierung hat ein Mandat des Parlaments und unterliegt dessen Kontrolle", sagt die Obfrau der Linkspartei, Martina Renner. Alles andere beschneide das Parlament und verhindere Aufklärung, sagen die Obleute.

NSA-Selektoren: Chaos ohne Ende!


21. Mai 2015

Die Arbeit der deutschen Geheimdienste wird vom Kanzleramt koordiniert und vom Parlamentarischen Kontrollgremium PKGr des Parlaments kontrolliert. Soweit die Theorie…
In den letzten Wochen und Monaten ist der NSA-Untersuchungsausschuss des Parlaments immer mehr zu einem BND-Untersuchungsausschuss geworden, da sich gezeigt hat, dass wichtige Arbeitsbereiche – insbes. die Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA – weder koordiniert waren noch verantwortlich kontrolliert werden konnten.
Nun zeigt sich, dass das Chaos noch wesentlich größer ist als befürchtet. Nach Informationen des SPIEGEL haben Beamte in der Zentrale des BND in Pullach in den vergangenen Wochen bislang unbekannte Dateien mit amerikanischen Selektoren (Suchbegriffen) „gefunden“. Diese beziehen sich auf die Jahre 2005 bis 2008 und umfassten 459.000 Selektoren, mit denen unter anderem europäische Institutionen, hochrangige politische Persönlichkeiten und Firmen im Ausland ausspioniert werden sollten. Nur 400 dieser Selektoren seien aussortiert worden.
Außer dem NSA-Untersuchungsausschuss hat sich auch der Bundestag in einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE mit den NSA-Selektoren befasst. Hinsichtlich der Freigabe der Selektoren-Liste zur Einsicht für die Parlamentsausschüsse möchten die Koalitionsparteien immer noch auf eine Antwort aus Washington warten, während die Opposition auf unverzüglicher Einsichtnahme besteht.

1,3 Milliarden Metadaten/ Monat

Bild: Screencopy Jan Petersen

12. Mai 2015

Der Bundesnachrichtendienst (BND) filtert mit seinen – und den vom US-Geheimdienst NSA erhaltenen – Zehntausenden Selektoren (Suchbegriffen) gewaltige Datenmengen aus den Kommunikationsströmen. Ein erheblicher Teil dieser Daten sind sog. Metadaten, die angeben, wer wann mit wem wie lange in Kontakt stand. Bei Handykontakten enthalten die Daten auch die jeweiligen Standorte. Das sind im Prinzip Aktivitätsprotokolle, die Entscheidendes über die jeweils Abgehörten verraten.
Vom BND werden dabei aus aller Welt jeden Tag etwa 220 Millionen Metadaten gesammelt und gespeichert. Wie ZEIT ONLINE aufgrund vertraulicher Akten berichtet, reicht der BND einen großen Teil dieser Daten an die NSA weiter – "bis zu 1,3 Milliarden Datensätze pro Monat".
Über die Verwendung dieser Daten durch den US-amerikanischen Partnerdienst scheint es keinerlei Informationen zu geben. Einschlägig bekannt ist zumindest eine Verwendungsart, die der frühere Chef von NSA und CIA, General Michael Hayden, bei einer öffentlichen Debatte nicht ohne Stolz verkündet hatte: "We kill people based on metadata!“ (Wir töten Menschen auf der Basis von Metadaten!).

Spy oder No-Spy, das ist hier die Frage


8. Mai 2015

Dem Recherche-Verbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sind Unterlagen zugespielt worden, die die Regierungspolitik hinsichtlich der NSA-Affäre neu beleuchten. Dazu lohnt ein kurzer Rückblick.
Mitte August 2013 herrschte in Berlin noch immer große Aufregung aufgrund der Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Im September war Bundestagswahl und Kanzlerin Angela Merkel musste sich gegen den Vorwurf erwehren, sie würde die US-Bespitzelung in Deutschland und Europa dulden.
Nach der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 12.08.2013 erklärte Kanzleramtschef Ronald Pofalla auf einer Pressekonferenz: Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland sei „vom Tisch“. Und: "Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten" – einen gegenseitigen Spionage-Verzicht. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ergänzte kurz darauf: "Wir haben die Zusage, dass ein solches Abkommen bald geschlossen werden kann" – möglicherweise noch vor der Bundestagswahl. Nach der Wahl wurden die Gespräche im Januar 2014 dann für gescheitert erklärt.
Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zeigen nun, dass es weder das Angebot eines No-Spy-Abkommens noch überhaupt konkrete Verhandlungen darüber gegeben habe. Dies gehe aus E-Mails hervor, die dem Recherche-Verbund vorliegen.
Wunschdenken oder bewusste Täuschung der Regierung Merkel? Die Dokumente belegen, dass die US-Seite nie vorhatte, mit Deutschland einen gegenseitigen Spionageverzicht zu vereinbaren und sich auf deutschem Boden an deutsche Gesetze zu halten. Sie versicherten nur, sich an amerikanische Gesetze zu halten.

Edward Snowden und der NSA/BND-Skandal

Bild: luarfr

8. Mai 2015

Wie jetzt bekannt wurde, sind im Sommer 2013 beim Bundesnachrichtendienst mehr als doppelt so viele problematische Suchbegriffe der NSA eingegangen als bisher bekannt war. Der Unterabteilungsleiter beim Bundesnachrichtendienst, der die Sonderprüfung der Selektoren der NSA in Auftrag gab, hat eingeräumt, dass es die Ergebnisdatei "nicht mehr gibt". Und der BND hat offenbar über Jahre versäumt, die Datenweitergabe an die NSA zu protokollieren. Was genau an die Amerikaner floss, kann daher womöglich nie mehr rekonstruiert werden.
Die Aussagen von BND-Verantwortlichen vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, dass sie die Behördenspitze und das Kanzleramt nicht über die brisanten NSA-Spionageziele informiert hätten, hält die Opposition für unglaubwürdig, auch die SPD hegt noch Zweifel.
Der SPIEGEL interviewte Edward Snowden zur aktuellen Situation. Snowden sieht seine Vorwürfe gegen die Geheimdienste bestätigt: "Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch. Die Massenüberwachung ist real, es wird Industriespionage betrieben, und die Nachrichtendienste arbeiten außerhalb der Wahrnehmung und der Kontrolle der gewählten Volksvertreter und der Justiz".
Die Zahl der Selektoren, die der BND von der NSA übernommen habe, sei atemberaubend. "Solche Zahlen können nur im Kontext von Massenüberwachung entstehen." In einem System mit funktionierender Aufsicht würden solche Größenordnungen nie zusammenkommen, sagte Snowden.
Er beobachte, dass Länder wie Frankreich, Kanada und Australien „gerade dabei sind, Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und das Recht auf Privatsphäre drastisch einzuschränken.“ Deutschland sollte eine moralische Führungsrolle einnehmen und aufzeigen, dass es richtige und falsche Wege gibt, nationale Interessen zu verfolgen – und Vorschläge machen für die nationale und globale Regulierung der Nachrichtendienste.“

Kooperation mit NSA eingeschränkt

Bild: CC-by-nc Andreas Dl/Flickr

6. Mai 2015

Nachdem nun publik wurde, dass der US-amerikanische Geheimdienst NSA den BND und die Abhörstation in Bad Aibling jahrelang dazu missbrauchte, europäische Politiker, EU-Institutionen und Spitzenbeamte befreundeter europäischer Staaten zu überwachen, sah sich das Kanzleramt offensichtlich genötigt, die Reißleine zu ziehen.
Der Bundesnachrichtendienst hat die Zusammenarbeit mit der NSA drastisch eingeschränkt. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR werden seit Beginn dieser Woche in der Station in Bad Aibling keine Internet-Verkehre, die bislang an den US-Geheimdienst weitergeleitet wurden, mehr erfasst.
Darüber wurden auch die Obleute des NSA-Untersuchungsausschusses vom derzeitigen Kanzleramtschef Peter Altmaier informiert. Er bat die Obleute um Geduld bei der Frage, ob und wann man die Selektoren vorlegen könne.
Mit der Information über die Einschränkung der Kooperation in Bad Aibling versucht die Bundesregierung offensichtlich dem Eindruck entgegenzutreten, dass sie in der BND-NSA-Affäre untätig bleibe.

Automatische Spracherkennung "Google for Voice"


6. Mai 2015

Die NSA kann schon seit mindestens 2006 Gesprochenes mit Hilfe von Spracherkennungssoftware transkribieren, d.h. erkennen, ggf. übersetzen und dann schriftlich fixieren. So können und werden Telefonate automatisiert nach Schlüsselwörtern durchsucht und die Transkripte gespeichert. Dies gelingt weitgehend schon für etwa 90 Sprachen. Die "Google for Voice" genannte Technik ist Teil des Programms "Media Mining". Durch die automatische Spracherkennung haben sich die Abhörmöglichkeiten enorm erweitert. Dies scheint aber ohne parlamentarische Kontrolle eingeführt worden zu sein.
Diese Software wird gegen süd- und mittelamerikanische Ziele, aber auch in Irak und Afghanistan eingesetzt. Unklar ist, ob die NSA auch US-Telefonate automatisiert in Text übersetzt und untersucht haben. Es sollen aber täglich Millionen von Anrufen in einer Datenbank für Analysten zur Verfügung gestellt werden.
Doch nicht nur die NSA ist zur Spracherkennung von Telefonaten in der Lage. Auch der Bundesnachrichtendienst hat eine solche Datenbank. Sie heißt InBe, ein Akronym von Inhaltliche Bearbeitung. Darin sammeln die Geheimdienstler Telefongespräche, E-Mails und Faxe, in denen vor allem Ausländer Dinge besprochen haben, die aus Sicht des BND für Deutschland gefährlich und relevant sind. Wie groß diese Datenbank ist und wie viele einzelne Gespräche darin liegen, ist nicht bekannt. Die einzige Auskunft dazu lautet: Aktuell seien "mehrere Hunderttausend Daten" darin gespeichert, auch von deutschen Staatsbürgern. Was "Daten" in diesem Zusammenhang bedeutet, ist unklar.

Versagen, verschweigen, vertuschen


5. Mai 2015

Mindestens bis 2013 spähte der US-Geheimdienst NSA deutsche und europäische Ziele aus.
Der BND merkte bereits im Jahr 2005, dass der US-Geheimdienst NSA im gemeinsamen Abhörzentrum Bad Aibling versucht, deutsche und europäische Ziele auszuspähen. Dies wurde vom BND dann angeblich unterbunden.
Doch die Spionage ging offensichtlich weiter. Im Februar 2008 warnte der BND das Kanzleramt, „dass die US-Seite versucht, die Nachrichtengewinnung auf Bereiche auszudehnen, die nicht im deutschen Interesse sind.“ Die NSA wolle die Spionage nicht nur vertiefen, sondern den ungefilterten Zugriff auf alle Daten. Ohne dass vorher deutsche Ziele aussortiert würden, wie es das Gesetz vorschreibt.
Im Juni 2010 warnt der BND das Kanzleramt erneut, diesmal ist konkret von US-Spionage gegen Firmen und Behörden die Rede: „Die NSA hat …Erfassungskriterien zu den Firmen EADS, Eurocopter und verschiedenen französischen Behörden… eingestellt.
Nach einem Dokument aus dem Kanzleramt, das Frontal 21 jetzt einsehen konnte, entdeckte der BND im August 2013, also acht Jahre nach der ersten Warnung, im aktuellen Profil der Suchbegriffe immer noch etwa 12.000 verbotene Selektoren zu Persönlichkeiten der europäischen Politik, EU-Institutionen, Ministerien europäischer Mitgliedsstaaten und Vertretungen deutscher Firmen.
Die NSA spähte noch 2013 in Bad Aibling deutsche und europäische Ziele aus – und zwar mit Hilfe des deutschen Bundesnachrichtendienstes!

Kontrollverlust im Kanzleramt


30. April 2015

Die Abhöreinrichtung des Bundesnachrichtendienstes (BND) im bayerischen Bad Aibling wurde nach Feststellung von Regierungsexperten jahrelang für Spionage gegen europäische Staaten missbraucht. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR zählen zu den Betroffenen hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums, des Élysée-Palastes und der EU-Kommission.
Als die USA die Abhöranlagen in Bad Aibling an die Deutschen übergaben, wurde 2002 in einem „Memorandum of Agreement“ vereinbart, die abgefangenen Daten gemeinsam zu nutzen. Verantwortlich für diese Vereinbarung war der damalige Kanzleramtschef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Hierzu lieferte der US-Geheimdienst NSA dem BND laufend aktuelle Selektoren (Suchbegriffe). Die dabei übermittelten Selektoren scheinen die Namen, Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen dieser Diplomaten enthalten zu haben. Alle von den USA seit Beginn der Kooperation angelieferten Suchbegriffe werden nun noch einmal überprüft. Ihre Zahl ist riesig: Von 2002 bis 2013 waren es 690 000 Telefonnummern und 7,8 Millionen IP-Suchbegriffe. In einer sogenannten Ablehnungsdatei landeten 40 000 Selektoren.
Der damalige Chef des Kanzleramts und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurde im Februar 2008 darüber informiert, "dass die US-Seite versucht, die Erfassung auf Bereiche auszudehnen, die nicht im gemeinsamen Interesse liegen".
Ende Oktober 2009 wurde Ronald Pofalla Kanzleramtschef. Dort liefen spätestens im Jahr 2010 BND-Meldungen ein, wonach die USA versucht hatten, die Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter auszuspähen.
Nachdem Pofalla gegen Ende 2013 bekanntlich mehrfach die NSA-Affäre für beendet erklärt hatte, wurde er von Peter Altmaier abgelöst.
Dennoch hat das jetzt von Thomas de Maizière geleitete Innenressort noch am 14. April auf eine Anfrage der Fraktion der Linken mitgeteilt: "Es liegen weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten vor".
Die Oberaufsicht über dieses schwer nachvollziehbare Chaos liegt naturgemäß bei der Kanzlerin Angela Merkel, die bisher kaum zur Aufklärung beigetragen hat.
Grüne, Linke und auch die SPD im Untersuchungsausschuss wollen jetzt Druck machen: „Das Kanzleramt muss die Selektoren-Liste unverzüglich dem Ausschuss vorlegen“.

Wie der BND die G-10-Kommission benutzte…


23. April 2015

Die Datenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) muss von der sogenannten G-10-Kommission des Bundestags genehmigt werden. Mehrere Mitglieder des Gremiums fühlen sich inzwischen aber hintergangen.
Strittig ist zum einen die Frage nach dem Gültigkeitsbereich des Grundgesetzes. Wie alle anderen Länder hält auch Deutschland nur die Kommunikation seiner eigenen Staatsbürger (und all jener, die in Deutschland leben) für schützenswert, ohne Genehmigung der Kommission darf hier nichts überwacht werden. Alle anderen aber sind vogelfrei. Im NSA-Untersuchungsausschuss sagte ein Zeuge des BND, solche Telekommunikations-Verkehre seien "zum Abschuss freigegeben."
Juristen wie der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, argumentierten bereits vor Monaten, diese Praxis sei rechtswidrig. Der Schutz des Grundgesetzes müsse auch für Ausländer gelten, sonst sei der BND ja nicht anders als die NSA.
Zum anderen geht es um die enge Kooperation mit dem US-Partnerdienst NSA. Die G-10-Kommission hatte den Zugriff auf die Kabel genehmigt, aber offenbar nie etwas von der heiklen Kooperation mit der NSA erfahren. Die Kommission glaubte zudem, dass es nur darum ginge, in den riesigen Datenbeständen nach deutschen Verdächtigen zu suchen. Nun aber vermuten Kommissionsmitglieder, dass die Bundesregierung die Zustimmung missbrauchte, um die durch Deutschland verlaufende Transit-Kommunikation von Ausländern abzugreifen.

Wie die NSA den BND benutzte…

Bild: Andreas

23. April 2015

Jahrelang hat der BND beim Durchsuchen seiner eigenen Daten aus der elektronischen Überwachung von Telefon- und Internetverkehr auf Wunsch des amerikanischen Geheimdienstes NSA auch deren Selektoren (Suchbegriffe) einbezogen und die so gefundenen Überwachungsdaten an die US-Partner weitergeleitet.
Kontrolliert, was die Amerikaner da im deutschen Datenfundus suchten, wurde allerdings kaum. Bis heute hatte der BND behauptet, man schaue sich die Suchbegriffe der Amerikaner genau an, schließlich gebe man sie ja im zentralen Horch-Zentrum im bayerischen Bad Aibling selbst ein. Bei Tausenden solcher Selektoren aus den USA klingt das reichlich unwahrscheinlich.
Das wahre Ausmaß des Skandals wurde nun erst aufgrund eines Beweisantrags bekannt, den Linke und Grüne für den NSA-Untersuchungsausschuss gestellt hatten. Die für den Ausschuss zuständige Projektgruppe des BND prüfte die NSA-Selektoren daraufhin erneut – mit dem Ergebnis, dass bis zu 40.000 davon gegen westeuropäische und deutsche Interessen gerichtet sind. Erst im März wurde das Bundeskanzleramt darüber unterrichtet. Weitere Überprüfungen wurden inzwischen angeordnet.
Der NSA-Ausschuss will sich nun intensiv um Aufklärung bemühen. Verständlicherweise forderten die Abgeordneten vom Kanzleramt umgehend die Herausgabe der von den USA übermittelten Selektoren. Nur an ihnen kann man ablesen, welche Ziele der US-Dienst mit den BND-Daten wirklich verfolgte.

Verteidigungsminister und BND wussten Bescheid!


21. April 2015

Enthüllungen des SPIEGEL haben belegt, dass die US-Militärbasis Ramstein eine zentrale Rolle im weltweiten Drohnenkrieg spielt. Die Bundesregierung ignoriert weiter alle Vorwürfe und beteuert, von nichts gewusst zu haben. Geheime Dokumente beweisen jedoch, dass das Verteidigungsministerium und der BND über die Vorgänge informiert gewesen sein mussten.
Im Herbst 2011, also in der Amtszeit von Thomas de Maizière, teilte das US-Heeresamt dem Verteidigungsministerium schriftlich mit, dass es in Kürze eine "UAS SATCOM"-Anlage für rund sechs Millionen Euro in Ramstein zu errichten gedenke. Mit seiner Hilfe werde "ein einzigartiges Kontrollzentrum für den Einsatz der (US-Drohnen) Predator, Reaper und Global Hawk" geschaffen. In weiteren Vermerken präzisierten die USA wenig später ihr Vorhaben: Geplant seien auch Räume für "Betriebs-,Verwaltungs- und Instandhaltungsfunktionen" und ein Raum für "Mission Control Vans".
Bisher stritt auch der BND selbst gegenüber dem Generalbundesanwalt jegliche Kenntnis über die Rolle Ramsteins ab. Nach SPIEGEL-Informationen führten BND-Leute schon in den Jahren 2012 und 2013 auf Leitungsebene Gespräche mit Africom, der federführenden Stelle für die völkerrechtlich besonders umstrittenen Drohneneinsätze über Somalia oder dem Jemen. Zeitweilig erwog die Regierung sogar, BND-Mitarbeiter an den Kampfkommandos der USA, zu denen Africom zählt, teilnehmen zu lassen. Die "Teilnahme des BND an US Combat Commands (stehe) im Raume", heißt es in einem Vermerk aus dem Jahr 2013.