„Britische Spione an Russen und Chinesen verraten“

Bild: CNN.com

16. Juni 2015

Mit dieser Schlagzeile erschien die „Sunday Times“ des Murdoch-Imperiums am 14. Juni 2015. In dem Artikel wird behauptet, russische und chinesische Geheimdienste hätten die von Edward Snowden gestohlenen streng geheimen Dokumente in ihren Besitz gebracht und entschlüsselt. Britische Agenten im Ausland seien deshalb gefährdet und müssten abgezogen werden. Quelle dieser Informationen seien führende Mitglieder aus Kreisen der britischen Regierung, des Innenministeriums und der Geheimdienste, bleiben aber ungenannt. Ein ebenfalls nicht genanntes hochrangiges Mitglied des Innenministeriums habe gesagt, dass Snowden „Blut an seinen Händen habe“. Allerdings gäbe es bisher keine Beweise, dass jemand zu Schaden gekommen wäre.
Der Journalist Glenn Greenwald reagierte als einer der Ersten auf die Anschuldigungen der „Sunday Times“. Er widerlegte einige der dort aufgestellten Behauptungen, verwies auf das Fehlen jeglicher Beweise und charakterisierte den Artikel als Journalismus der miesesten Art gespickt mit Unwahrheiten. Dies sei eine Gefälligkeitsarbeit für die britische Regierung.
Der Artikel der „Sunday Times“ hatte jedoch den erwünschten Effekt: Die renommierte Nachrichtenagentur Reuters übernahm die wesentlichen Passagen des Artikels und so ging die Meldung um die Welt!
In Deutschland griff – natürlich – die BILD-Zeitung die Meldung begierig auf, aber auch SPIEGEL ONLINE, ZEIT ONLINE und die FAZ, hinter der bekanntlich immer ein kluger Kopf steckt, übernahmen den Kern der Schlagzeile und wesentliche Inhalte mit leichten Einschränkungen.
Was tatsächlich am Artikel der „Sunday Times“ dran ist, versuchte dann der Nachrichtensender CNN in einem Interview mit Tom Harper, einem der Autoren des Artikels, herausfinden. Auf die Frage, woher die nicht genannten Quellen der Regierung wissen, dass die Dokumente geknackt worden seien, sagte Tom Harper: „Das weiß ich auch nicht… wir wissen nur, dass dies die offizielle Haltung der britischen Regierung ist.“ Kurz darauf, leicht abgewandelt: "Wir veröffentlichen nur, was wir für die derzeitige Haltung der britischen Regierung halten." Und auf Nachfragen zu den Details in seinem Artikel: "Ich weiß es nicht." Deutlicher kann man kaum sagen, dass man sich von der eigenen Regierung für skrupellose Propaganda hat einspannen lassen.

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